Hausverbot für den Weihnachtsmann

Sein Bart ist echt, Bauch und Brille auch – Walter Schmidt ist ein Weihnachtsmann wie aus dem Bilderbuch. Der 66-Jährige bringt nicht nur Kinderaugen zum Leuchten. Doch in diesem Jahr muss der Santa-Claus-Darsteller aus Bad Salzuflen wegen der Pandemie auf viele seiner Auftritte verzichten. Er findet es sehr, sehr schade. „Vor allem wegen der Kinder“, sagt Schmidt. Erwachsene könnten ein Jahr auf den Weihnachtsmann verzichten, aber für den Nachwuchs sei es immer etwas besonders. Eigentlich wäre Schmidt in roten Santa-Claus-Kostüm und seinem hellblauen Santa-Mobil, auf dem sein Konterfei strahlt, mittendrin gewesen im Weihnachtstrubel. Bei Firmenfeiern, auf Märkten, in Geschäften – Klein und Groß hätten ihn umringt. Ein Star mit dickem Bauch, roten Mantel und weißem Bart. Seit mehr als zehn Jahren verwandelt sich Walter Schmidt in den Wochen vor dem Heiligen Abend in den Weihnachtsmann. Doch Corona stellt auch sein Leben auf den Kopf und sorgt dafür, dass vieles anders ist und Walter Schmidt einfach nur Walter Schmidt bleibt.

Die Aufträge bleiben wegen Corona aus

Für unser Treffen am 30. November ist er dieses Jahr zum ersten Mal in seine schwarzen Stiefel und die rote Samthose geschlüpft, die von Hosenträgern gehalten wird. Darunter ein blaues T-Shirt, darauf gedruckt sein Geburtsjahr 1954 samt der Aufschrift „Die Geburt von Legenden“. Im Wohnzimmer steht sein Sessel, über der Rückenlehne sind seine Jacke samt Umhang, verziert mit weißem Plüschrand, ausgebreitet. Es fehlen noch Mütze und Geschenksack. „Die sind im Nebenzimmer. Natürlich bin ich voll ausgestattet“, lacht Schmidt. Eigentlich hätte ich schon zu diesem Zeitpunkt im Jahr einige Auftritte hinter mir, doch das Virus macht auch vor dem Weihnachtsmann keinen Halt, fügt der Salzufler mit einem Seufzen hinzu und streicht sich über den langen Bart.
Während sich viele über zu viel Stress und zu wenig Zeit in den Wochen vor den Festtagen beklagen, ist es genau das, was ihm fehlt. Die meisten seiner Stammkunden, darunter Weihnachtsmarktbetreiber, Kitas oder Firmen, hätten Termine wieder gestrichen oder ihn gar nicht erst gebucht. Und dass der Weihnachtsmann in diesem Jahr von Haushalt zu Haushalt geht und Familien mit Kindern an Heiligabend überrascht, ist für viele unvorstellbar. „Ich kann es verstehen, wenn da jemand mit dem Virus angesteckt würde. Das wäre der Horror“, sagt Schmidt. Doch ganz aufgegeben muss der Rentner die Rolle des Miet-Heiligen nicht. „Ich habe zwei Hausbesuche an Heiligabend. Im vergangenen Jahr war es 15“, sagt der 66-Jährige. Er habe für die persönliche Bescherungen eigens ein „Hygiene-Konzept“ entwickelt. Das bedeutet: Singen ist aus Infektionsschutzgründen verboten. „O Tannenbaum“ und „Jingle Bells“ kommen in diesem Jahr von der CD oder Spotify. Kinder werden nicht umarmt, Erinnerungsfotos gibt’s nur mit Tannenbaum dazwischen. Außerdem hat er sich eine eigene Maske herstellen lassen, darauf seine Lippen mit haariger Umrandung. Für Schmidt ist der Mund-Nasen-Schutz eine große Überwindung. „Nicht weil ich die Maske ablehne, sondern weil der Zauber des Weihnachtsmannes auch über die Mimik, das Lächeln entsteht“, sagt er.

Walter Schmidt darf sich in diesem Jahr nicht in den Weihnachtsmann verwandeln.

Ob das zu traurigen Blicken und Enttäuschung führen wird? Schmidt glaubt das nicht. „Jeder, den ich besuche, weiß ja, dass Corona ist.“Corona-Hilfe oder sonstige Unterstützung braucht er nicht, obwohl auch er als Selbstständiger finanzielle Einbußen habe. Für die Hausbesuche, die an Heiligabend ab 16 Uhr starten, verlangt er 15 Euro – Extrawünsche werden individuell abgerechnet. „Daher macht es keinen Sinn hier eine Liste von allen möglichen Szenarien zu benennen und diese mit Preisen zu versehen“, sagt er. Seine Weihnachtsmann-Gage, aus Hausbesuchen, Auftritten bei Firmenfeiern sowie Weihnachtsmärkten und Einkaufszentren sei „immer eine feste Größe im Jahresbudget“ – aber auch nicht so elementar, dass es ihn aus der Bahn werfe. Doch bundesweit bringe die Pandemie hunderte Miet-Weihnachtsmänner um ihren Job. Darunter seien viele selbstständige Künstler, die von der Krise ohnehin mit am stärksten gebeutelt seien.Die Weihnachtsmann-Karriere des gelernten Graveurs war eher ein Zufall. „Ein Kollege hatte mich vor mehr als zehn Jahren gebeten, ob ich nicht mal für seine Enkelkinder die Geschenke an Heiligabend vorbeibringen könnte, da ich schon immer einen Rauschebart hatte“, erinnert sich Schmidt.

„Mir fehlen die leuchtenden Kinderaugen“

Ein voller Erfolg. „Mein Durchbruch sozusagen. Für meine weiteren Auftritte musste ich sogar manchmal Urlaub nehmen“, erinnert er sich. Schon bald wir er in die Modelkartei einer Agentur aufgenommen und schafft es auf die Titelseiten von Möbelhaus- und Kaufhausprospekten sowie Fernsehzeitschriften. Der Weihnachtsmann ist für ihn mehr als eine Rolle, es ist eine Berufung. Was vermisst er? „Mir fehlen die leuchtenden Kinderaugen. Es ist das Schönste, ihre Reaktionen zu sehen, wenn ich als Weihnachtsmann verkleidet in den Raum kommt“, sagt 66-Jährige. Trotz der derzeit schwierigen Coronalage will Schmidt künftig am traditionellen Auftritt des Weihnachtsmannes festhalten. „Wir dürfen den Weihnachtsmann nicht aufgeben. Er verkörpert wie keine andere Figur, dass es einen Sinn hat, das ganze Jahr über nett und freundlich zu sein.“
Fotos: Bernhard Preuss

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