Eltern kritisieren Schutzmaßnahmen

Der Mund-Nasen-Schutz sei Teil des teuflischen Corona-Spiels, die Schüler würden durch Maskenzwang, Abstandsregeln und Einschüchterung körperlich und seelisch vergewaltigt – nur ein kleiner Auszug aus einem Schreiben, das Eltern, deren Nachwuchs das Gymnasium der christlichen August-Hermann-Francke (AHF) in Detmold besuchen, an den Schulleiter Andreas Herm und alle Lehrer gerichtet haben. Weiter heißt es in dem Brief: „Es darf nicht sein, dass eine christliche Schule bei diesem teuflischen Corona-Spiel so vehement mitmacht. Aber das Schrecklichste an diesem satanischen Spiel ist, dass wir unsere Kinder dem Corona-Moloch opfern.“ Das Schreiben belege eine problematische Haltung gegenüber den staatlich verordneten Schutzmaßnahmen, sagt Jens Müller, der mit der Schule zu tun hat. Er heißt eigentlich anders und möchte seinen echten Namen nicht nennen, weil er sonst Nachteile befürchtet. „Wenn solche Meinungen verbreitet werden, wundert es mich nicht, dass im Kreis Lippe die Infektionszahlen steigen. Dies ist unverantwortlich und absolut unsolidarisch“, sagt Müller.

850 Schüler am Gymnasium

Schulleiter Herm bekennt sich zu den aktuellen Coronamaßnahmen und distanziert sich ausdrücklich vom Inhalt des Anschreibens. „Mich hat der Brief, der bereits im August verfasst und von 30 Erziehungsberechtigten unterschrieben wurde, sehr überrascht, der Ton ist völlig unangemessen“, sagt Herm. Andere Quellen sprechen von mehr als 70 Unterzeichnern. Das AHF-Gymnasium mit seinen 850 Schülern und auch der Schulträger „Christlicher Schulverein Lippe“ setze die staatlich vorgegeben Maßnahmen zur Bekämpfung von Covid-19 vollumfänglich um. „Ich bin mir sicher, dass ein Großteil der Eltern und Lehrer die Schutzmaßnahmen mittragen, auch wenn sie nicht mit allem einverstanden sind“, fügt Herm hinzu. Das Gymnasium habe sich klar gegenüber den Verfassern positioniert, die offensichtlich Textpassagen von Verschwörungstheoretikern übernommen hätten. „Wir haben im Gespräch mit den Eltern die Situation erklärt und geklärt“, sagt Herm. Seit dem sei Ruhe an der Schule. Die Unterzeichner erinnern in dem Brief die Lehrer an die „2 Gs – Gewissen und Gehorsam“. „Wem wollen Sie gehorsam sein: dem Staat oder dem Gott Vater, der alles sieht und Sie für das Unrecht an unseren Kindern zur Rechenschaft ziehen wird“, heißt es in dem Schreiben. Die Initiatoren haben noch einen Ratschlag für die Pädagogen: Es sei allerhöchste Zeit, sich nicht mehr von den Mainstream-Medien berieseln zu lassen, sondern auch alternative Quellen zu Rate zu ziehen, bevor die Schüler systematisch Gesundheitsgefahren ausgesetzt würden. „Von einer christlichen Schule darf man doch mehr klaren Verstand und vor allem Mut im Alltag erwarten“, schreibt die Gruppe. Zudem appellieren die Absender an die Lehrerschaft mit den Worten: „Lassen Sie sich bitte nicht von der Angst vor der Regierung leiten, sondern nur von der Ehrfurcht vor Gott, der jeden nach seinem Tun vergelten wird.“ Jeder Pädagoge solle prüfen, ob er dem Staat oder Gott gegenüber gehorsam sein wolle. „Das ist Blödsinn und entbehrt auch jeder theologischen Grundlage“, sagt Peter Dück, Geschäftsführer des Christlichen Schulvereins Lippe, der die staatlich anerkannte Ersatzschule trägt.

Auch öffentliche Schulen erhielten Protestbriefe, doch er muss einräumen, dass das Schreiben ans AHF-Gymnasium aus dem Rahmen falle, da es sich explizit auf christliche Werte beziehe. „Ich glaube viele haben dort unterzeichnet, ohne den Brief zu lesen“, sagt Dück, der seit 25 Jahren die Geschäftsführung des Schulvereins inne hat. Die Einrichtungen werden zu 87 Prozent über das Land finanziert, die Eltern zahlen nach Auskunft Dücks im Schnitt monatlich 100 Euro pro Kind für den Schulbesuch. Die zahlreichen Einrichtungen, darunter Kitas, Grundschulen sowie weiterführende Schulen im gesamten Kreisgebiet, besuchen derzeit 3.300 Kinder – hinzu kommen 850 Mitarbeiter. „Tendenz in allen Bereichen steigend und natürlich halten wir uns an die Vorgaben der Behörden“, betont Dück. Die Bezirksregierung in Detmold, die die Schulaufsicht hat, weiß nichts von dem Protestbrief der AHF-Eltern. „Wenn es nun öffentlich wird, werden wir die Schule um eine Stellungnahme bitten“, sagt Pressesprecher Andres Moseke. Jens Müller bleibt skeptisch: „Ich hoffe, dass die geplanten Ausgangssperren und Schulschließungen helfen den Inzidenzwert in Lippe, der derzeit bei über 300 liegt, zu senken. Aber viel wichtiger ist, dass die religiösen Coronakritiker das Wort Nächstenliebe endlich leben und nicht Unsinn verbreiten.“

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