Mein Freund, der Baum, ist tot

Mit Bagger und Kran wurden die alten Eichen und Birken sowie die hohe Hecke vor drei Wochen dem Erdboden gleichgemacht. „Mir kamen echt die Tränen, als auf dem Nachbargrundstück plötzlich die riesigen Bäume einfach entfernt wurden“, erinnert sich Antje Pentinghaus, die gemeinsam mit Ehemann Stephan Otters seit zwölf Jahren im Detmolder Ortsteil Hiddesen lebt. „Es war hier ein Mini-Urwald auf mehr als 1000 Quadratmetern mitten im Ort und jetzt ist alles kahl und kalt“, fügt Otters, Musikschulleiter in Bad Salzuflen, hinzu. Natürlich könne jeder auf seinem Grundstück, wenn er sich an die Vorschriften halte, machen was er wolle. Aber eine gedeihliche Nachbarschaft lebe auch von Absprachen, einem fairen Miteinander und nicht von einer Nacht- und Nebelaktion zwischen den Jahren, die Auswirkungen auf die Umgebung habe.

Er und einige andere Anwohner seien enttäuscht von der benachbarten Gärtnerei Leßmann, die nach der Rodung auf dem Grundstück eine Weihnachtsbaumplantage plane. „Ich habe dem Betrieb per Mail unseren Unmut mitgeteilt, aber keine Antwort erhalten“, sagt Otters beim Besuch vor Ort. Doch Jörg Leßmann, vom gleichnamigen Unternehmen, ist sich keiner Schuld bewusst: „Wir haben das Grundstück, das kein Bauland ist, gekauft und die kranken Bäume gefällt, da diese eine Gefahr für die Nachbarn und unsere Gewächshäuser waren.“ Er überlege, ob er dort eine Weihnachtsbaumplantage samt Hühnerhaltung anlege. „Man kann es bei diesem Thema nicht allen recht machen, wenn wir nicht gefällt und die Bäume umgefallen wären, hätten wir unsere Pflicht verletzt. Wir haben uns an Recht und Gesetz gehalten“, betont Leßmann. Er sei natürlich auch einer guten, nachbarschaftlichen Beziehung interessiert.

„Doch Mails zu schreiben, helfe nicht. Ich würde meine Nachbarn gerne mal zu Kaffee und Kuchen einladen, damit wir uns mal aussprechen können“, schlägt sie vor. Die Einladung will Stephan Otters gerne annehmen: „Ich hätte mir so ein Gespräch vor der Fällung der Bäume gewünscht. Jetzt wurden durch die Rodung ja Tatsachen geschaffen.“ Aber dieses Vorgehen, das kein „Nachbarschaftszwist um Schattenspender“ sei, zeige ganz eindeutig, dass eine Wiedereinführung der Baumschutzsatzung, die in Detmold 2016 abgeschafft wurde, überfällig sei, damit das Klima und der Artenschutz wieder gestärkt würden. Bis vor fünf Jahren musste eine Fällung beantragt werden, wenn ein Baum einen Umfang von mehr als einen Meter hatte. Sie wurde geprüft. Gab es einen positiven Bescheid, musste für Ersatz des Baumes gesorgt werden.

„Seit 2016 gilt das nicht mehr. Wer als Privatperson einen Baum fällen will, der fällt ihn und muss dabei lediglich Fristen und den ein paar Artenschutzvorschriften berücksichtigen. Damit verliert der Klimaschutz“, sagt Walter Neuling, Fraktionschef der Grünen im Stadtrat. Daher wolle die Partei während der Ratssitzung am 18. Februar über eine neue Baumschutzsatzung abstimmen lassen. „Wir brauchen eine solche Satzung, denn ihre Abschaffung hat zu vielen unnötigen Baumverlusten geführt“, sagt Neuling, dessen Partei von vielen Umweltschutzverbänden unterstützt wird. „Die objektive Wirksamkeit der früheren Baumschutzsatzung ist nicht erhoben worden“, betont Bürgermeister Frank Hilker (SPD). Zwischen 2012 und 2015 habe es 715 Anträge auf Fällungen gegeben – nur 51 seien abgelehnt worden. Seitdem die Satzung passé sei, werde keine Statistik mehr geführt. Es habe keine vermehrten Beschwerden über die Fällungen großer Bäume auf Privatgrundstücken gegeben, sondern fast ausschließlich bei städtischen, öffentlichen Bäumen. Bereits im 2019 sei das Einrichten einer Stelle zur Baumschutzsatzung mehrheitlich abgelehnt worden. „Demzufolge stehen auch in den Haushalten 2020 und 2021 keine Gelder zu Verfügung“, sagt Hilker. Der Verwaltungsaufwand zur Bearbeitung liege bei 1,5 Stellen und er glaube, dass diese Stellen im Bereich der Sozialpolitik beispielsweise in Kitas oder Schulen mehr bewirkten, betont Hilker. Der Bürgermeister schlägt vor, Bäume in Bebauungsplänen zu schützen.

Zudem könne der Baumschutz mit dem Anreiz zu Pflanzungen forciert werden – 30.000 Euro seien dafür vorgesehen. Daneben verschenke die Stadt seit vielen Jahren den jeweiligen „Baum des Jahres“ an die Bürger – Kostenpunkt 6000 Euro. Er könne sich auch eine Baum-Beratung oder Gutscheine für Baumkontrollen vorstellen. Um den im Vergleich zu anderen Kommunen hohen Detmolder Baumbestand noch weiter zu fördern, plant Hilker einen Bürgerwald, dieser soll im Laufe des Jahres auf Flächen entstehen, auf denen Bäume abgestorben seien.

Kopfschütteln bei den Bündnisgrünen: „Wir brauchen lediglich eine halbe Stelle. Ich finde es verwerflich, dass Sozialpolitik gegen notwendige Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen ausgespielt werden“, sagt Neulimg. Es gehe um Wertschätzung und Respekt gegenüber der Umwelt und die Stadt brauche mehr Kitaplätze und mehr Bäume, betont der 67-jährige Grünenpolitiker.Werden nun mehr Bäume seit fünf Jahren ohne Schutzsatzung gefällt – was sagen professionelle Baumpflegebetriebe aus Detmold dazu?Marian Wroben, Geschäftsführer der „arborex“ GmbH, erklärt, dass Baumpflegebetriebe heute vermehrt Beratungen übernehmen. „Das ist ein Resultat aus der Abschaffung der Baumschutzsatzung, aber deutlich mehr Fällungen gibt es nicht“, sagt Wroben. „Wir versuchen, die Kunden zu sensibilisieren, Bäume nach Möglichkeit zu erhalten“, beschreibt der 39-jährige Garten- und Landschaftsbauer die tägliche Arbeit.

Er sei für eine „Baumschutzsatzung light“: „Es spricht doch nichts dagegen, dass man Menschen, die einen Baum fällen lassen, dazu verpflichtet einen Ersatz zu pflanzen, dessen Zustand regelmäßig dokumentiert wird.“ Dagegen ist Jens Stohlmeyer von „Baumpflege Stohlmeyer“ für eine Wiedereinführung der Baumschutzsatzung: „Wir beseitigen durchaus so manchen Baum, für den früher ein Fällantrag nötig gewesen wäre“, sagt der 42-Jährige Gärtner, der seit 15 Jahren in der Baumpflege tätig ist. Eine kommunale und unabhängige Baumberatung sei wichtig. Jetzt versuche er verstärkt, Kunden von baumerhaltenden Maßnahmen zu überzeugen, aber einen Anstieg der Fällungen habe er nicht festgestellt.

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