Einen großen Ansturm am letzten Tag gibt es nicht. Nur wenige Kunden finden an diesem Samstagmittag den Weg in den Real-Markt an der Detmolder Klingenbergstraße. Manche kommen zu Fuß, manche mit dem Auto, manche auch mit dem Fahrrad. Im Raucherbereich am Nebeneingang tummeln sich die Handwerker – die acht Männer in blauer Arbeitskleidung ziehen schweigend an ihren Zigaretten, trinken Kaffee aus Pappbechern und schauen ungeduldig auf die Uhren. „Wir wollen endlich loslegen und mit den Umbauarbeiten starten“, sagt Trockenbauer Uwe und blickt mit rollenden Augen auf auf seine Armbanduhr– es ist 14.30 Uhr. Noch 90 Minuten, dann ist der Markt in Detmold nach knapp 30 Jahren Geschichte. Dass der Real an diesem Samstag bereits um 16 statt wie gewohnt um 22 Uhr schließt, ist in riesigen Letten auf Plakatwänden zu lesen. Gleich daneben bringen Uwes Kollegen mehrere Hebebühnen in Stellung. „Die steigen gleich darauf und werden alle Real-Werbeschilder und -Schriftzüge auf den Dächern und Laternen abmontieren“, erklärt Uwe. Drei Tage sind für die Umbauarbeiten vorgesehen, dann soll der Markt am Mittwoch, 3. Februar, unter neuem Kaufland-Logo wieder eröffnen.

Heide Müller kommt mit Maske und leerem Einkaufswagen aus dem Noch-Real. „Es ist schon traurig, der Markt ist schon fast leergeräumt – es gibt nichts mehr“, sagt die 37-Jährige kopfschüttelnd und zeigt mir Aufnahmen von leeren Regalen und verwaisten Gängen, die sie per Handy gemacht hat. Sie sei traurig, dass der Real seine Pforten schließe. „Ich habe hier immer gerne einkauft, schon mit meinen Eltern, weil man hier alles bekommen hat. Obst, Gemüse, Fleisch, aber auch Klamotten, Spielsachen oder einen Wasserkocher“, sagt Müller. Die Auswahl sei super gewesen und habe der Familie viele stressige Fahrten in die Innenstadt erspart, erinnert sich die dreifache Mutter aus Detmold. Sie hoffe, dass der neue Marktbetreiber das bisherige „Top-Sortiment“ beibehält, um die Herzen der Kunden zu erobern. „Doch wenn ich mir das Angebot des zweiten Kauflands in Detmold vor Augen führe, muss ich mir wahrscheinlich eine neue Einkaufsgelegenheit suchen“, sagt die Bankkauffrau.

Ganz traurig, mit diesen Worten beschreibt Achim Clement das Aus für den Real-Markt. „Ich habe hier seit Jahrzehnten eingekauft. Die Mitarbeiter waren nett, die Auswahl riesig und das Preis-Leistungs-Verhältnis fair“, sagt der 57-Jährige, der am letzten Tag erfolglos auf Schnäppchenjagd war. „Es gibt einfach nichts mehr, alle Regale leer. Ich wollte eigentlich ein paar Socken, Unterhemden und einen Staubsauger kaufen“, sagt Clement. Doch er wolle nicht jammern und gebe dem neuen Kaufland ein Chance, weil alle Ex-Realmitarbeiter übernommen worden seien.

Auch für die 20 Kaufleute, die im Innen- und Außenbereich des künftigen Kaufland-Marktes ihre Waren und Dienstleistungen anbieten, ändert sich erst einmal nichts. Dies bestätigte Immobilien-Eigentümer SCP-Group, die vom russischen Investmentunternehmen Sistema kontrolliert wird, auf Anfrage. Die Gruppe hatte die Real-Kette samt Immobilien 2019 von dem bisherigen Eigentümer, der Metro AG, übernommen und die Märkte dann unter anderem an Kaufland vermittelt – dies bedeutet, dass auch Kaufland Mieter von SCP ist und keinerlei Zuständigkeit für die Konzessionäre hat. Daher sind die Anbieter von Döner, Zeitschriften, Backwaren und Medikamenten von der dreitägigen Schließung nicht betroffen, darauf weisen die Kaufleute per Aufsteller aufmerksam. „Ich hoffe, dass die Kunden kommen und nicht davon ausgehen, dass der gesamte Markt geschlossen ist“, sagt Kaufmann Ralf Hanebaum, der seit 1993 mit fünf Mitarbeitern Zeitschriften, Zeitungen, Tabakwaren im Eingangsbereich anbietet. Natürlich sei er auch etwas wehmütig, dass die Real-Schriftzüge nach so langer Zeit abmontiert würden, doch er sei glücklich, dass keine Arbeitsplätze abgebaut würden würden. „Die Beschäftigten tauschen ja die rot-blauen Real-Kittel gegen Arbeitskleidung samt Kaufland-Aufschrift ein und machen weiter tolle Arbeit“, sagt Hanebaum.
Inzwischen haben Uwe und seine Kollegen die Arbeit aufgenommen, der Raucherbereich ist verwaist, die Zigarettenstummel schwimmen in den Kaffeeresten im Becher und die Drehtür am Real-Eingang steht still. „Auf uns warten noch im gesamten Bundesgebiet Umbauarbeiten, daher muss es hier schnell gehen“, wirft er mir den Satz auf dem Parkplatz zu und verabschiedetet sich. Kaufland hatte im Dezember von der Wettbewerbsbehörde grünes Licht für die Übernahme von bis zu 92 Real-Märkten – darunter auch Standorte in Ostwestfalen. Für Kaufland ist es die bisher größte Übernahme der Firmengeschichte. Das Unternehmen betreibt bislang bundesweit 670 SB-Warenhäuser und gehört wie Lidl zur Schwarz-Gruppe, dem größten Lebensmitteleinzelhändler Europas. Ursprünglich hatte Kaufland sogar bis zu 101 Real-Filialen übernehmen wollen. Doch bei neun Märkten stellten sich die Wettbewerbshüter quer.