Knapp 18 Monaten nach dem Prozessende des Lüdger-Missbrauchsfall haben die zahlreichen Opfer nur wenige Therapieangebote und keinen Cent Entschädigung vom zuständigen Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) erhalten, kritisieren Opferhelfer vom „Weißen Ring“. Durch die Verzögerungen werde ein fatales Signal von Ignoranz und Gleichgültigkeit in Richtung der Kinder, Jugendlichen und Eltern gesendet. Auf Anfrage schwieg der LWL vergangene Woche und lieferte nun die Begründung für die Verzögerungen nach.
Anträge
„Insgesamt sind beim LWL 61 Anträge auf Therapieplätze und Entschädigung im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen auf dem Campingplätze in Lügde eingegangen“, sagt LWL-Pressesprecher Markus Fischer. Das Detmolder Landgericht hatte im September 2019 die Angeklagten Andreas V. und Mario S. wegen schweren sexuellen Missbrauchs an 32 Kindern und Jugendlichen zu langjährigen Haftstrafen mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Die Zahl der Antragsteller sei höher als die aufgeführten Missbrauchsopfer im Urteil, da auch Eltern und weitere Opfer, deren Übergriffe bereits verjährt seien, Anspruch auf Hilfen hätten. „In 24 Fällen stammen die Antragsteller nicht aus NRW, sondern aus Niedersachsen und Hessen. Ihre Anträge werden nun von den dort zuständigen Behörden bearbeitet“, sagt Fischer. 15 von 61 Anträgen seien von den Antragstellern, trotz mehrerer Anschreiben, nicht weiter verfolgt worden. Diese Verfahren seien abgeschlossen.
Therapieplätze
„Ziel des LWL ist eine möglichst schnelle Hilfe für die Opfer, dazu gehören auch Traumaambulanzen speziell auch für Kinder“, sagt Fischer. Ambulanzen in der Nähe von Lügde seien in NRW an den Standorten Höxter, Paderborn und Marsberg sowie in Niedersachsen in Rinteln und Hameln vorhanden. Die Therapieplätze hätten sofort zur Verfügung gestanden. „Warum die Plätze nicht in Anspruch genommen wurden, ist derzeit nicht bekannt“, so Fischer. Die Opferhelfer sollten sich umgehend mit konkreten Fällen an den LWL wenden, betont der Pressesprecher.
Entschädigungsanspräche
„Bei dem Lügde-Missbruchskomplex handelt es sich um Taten, die teilweise sehr lange zurückliegen. Daher haben wir auf eine eigene Opferbefragung verzichtet und auf die Strafakten gewartet“, erklärt Fischer. Diese seien von der zuständigen Staatsanwaltschaft Detmold erst im Dezember 2020 vollständig zur Verfügung gestellt worden. „Dieser riesige Akteninhalt muss nun geprüft werden, erst dann erhalten die Opfer ihre Entschädigungen“, sagt Fischer. Der LWL bedauere sehr, dass es zu Verzögerungen gekommen sei, die aus Sicht der Opfer und ihrer Angehörigen schwer erträglich seien. „Wir sind aber nach wie vor der Meinung, dass es richtig war, nicht durch weitere Befragungen der Opfer deren Leid zu vergrößern, sondern die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abzuwarten“, meint Fischer.
Foto: Bernhard Preuss