Jugendamt im Visier der Staatsanwaltschaft

Die Spurensuche im Untersuchungsausschuss des NRW-Landtages zum Missbrauchsfall in Lügde bringt noch immer neue und erschreckende Details ans Tageslicht. Nun geraten, nach den Jugendämtern Lippe und Hameln-Pyrmont, auch Mitarbeiter der Behörde in Höxter wegen möglicher Aktenmanipulationen ins Visier der Ermittler. „Wir haben den Fall im Blick und prüfen, ob es Anhaltspunkte für eine Straftat gibt“, sagt der Paderborner Oberstaatsanwalt Marco Wibbe.

In dieser Unterkunft auf dem Capingplatz in Lügde missbrauchte Marios S. seine minderjährigen Opfer.

Das Höxteraner Jugendamt betreute 2016 ein damals achtjähriges Mädchen, das von einem der Lügde-Haupttäter, Mario S., schwer sexuell missbraucht worden war. Er ist ihr Patenonkel. Nach etlichen Missbrauchshinweisen verbot das Amt den Kontakt mit dem Patenonkel. Das Mädchen wurde im Sommer 2017 an eine psychotherapeutische Ambulanz überwiesen und damit die Familienhilfe beendet. Doch die Behörde informierte nicht die Polizei und unternahm auch keine weiteren Schritte. Eine Teamleiterin des Jugendamtes Höxter räumte nun vor den zwölf Ausschussmitgliedern ein, dass sie Akten im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen von Mario S. „bearbeitet“ habe, als der Skandal Anfang 2019 öffentlich wurde und er in Untersuchungshaft saß.
„Ich habe meinen Ohren nicht getraut, aber nun steht der Verdacht im Raum, dass Mitarbeiter in Höxter nachträglich Akten manipuliert haben könnten“, formuliert es der lippische Landtagsabgeordnete Jürgen Berghahn (SPD) sehr defensiv. Der 60-jährige Berghahn ist SPD-Sprecher im Untersuchungsausschuss und hatte an der rund achtstündigen Ausschuss-Sitzung vergangene Woche teilgenommen. Die Jugendamtsmitarbeiterin habe zudem erklärt, dass es normal sei, dass man in einem solchen Fall noch mal die Akten durchgehe und ergänze, erinnert sich Berghahn. „Sollten tatsächlich ungerechtfertigte Änderungen vorgenommen worden sein, wäre das ein Fall auch für die Ermittlungsbehörden. Wir werden auf jeden Fall noch weitere Zeugen zu diesem Komplex vorladen“, betont Berghahn. Natürlich beschäftige es den gesamten Ausschuss, warum und auf wessen Veranlassung diese Änderungen vorgenommen seien. „Wären die vorhandenen Informationen über den Missbrauch in Lügde nicht nur in Höxter, sondern in allen beteiligten Behörden intensiver zusammengefügt worden, wäre den vielen Kindern auf dem Campingplatz womöglich viel entsetzliches Leid erspart geblieben“, erklärt Berghahn.
Im Zusammenhang mit dem Missbrauchsfällen auf dem Campingplatz Eichwald in Lügde hat Detmolder Staatsanwalt im März vergangenen Jahres die Verfahren gegen zwei Polizeibeamte, insgesamt acht Mitarbeiter der Jugendämter Lippe und Hameln-Pyrmont und drei Familienhelfer eingestellt. „Die Ermittlungen haben in keinem Fall zu einem hinreichenden Tatverdacht geführt“, teilte die Behörde mit. Wenn es nun zu Ermittlungen gegen das Jugendamt Höxter komme, sei die Staatsanwaltschaft Paderborn zuständig, sagt der Detmolder Oberstaatsanwalt Ralf Vetter. „Wir haben damals auch gegen Mitarbeiter in Hameln-Pyrmont ermittelt, weil es eine Verbindung zum Jugendamt in Lippe gab“, erklärt Vetter.
Fotos: Bernhard Preuss

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