Prinz zur Lippe: „Mich stachelt die Kritik an“

Stephan Prinz zur Lippe (61) ist besorgt. Vor seinen Augen spielt sich ein dramatisches Waldsterben ab, bedingt durch Trockenheit und Stürme, aber vor allem durch den Borkenkäfer, sagt er. Der 61-Jährige führt als Rechtsanwalt in Detmold eine eigene Kanzlei, im Privatleben ist er Vater von fünf Kindern und Oberhaupt des Hauses Lippe. Und ganz nebenbei ist er einer der großen Waldbesitzer des Landes. Zwar verwaltet der Landesverband Lippe seit 1949 den Großteil der fürstlichen Ländereien, einen Teil der Wälder behielt die Familie aber in Privatbesitz – über 2000 Hektar. Nun will er gemeinsam mit dem Unternehmen Westfalenwind dem Klimawandel entgegentreten, neue Einnahmequellen für den Unterhalt des Detmolder Schlosses erschließen und gleichzeitig seine verödeten Waldflächen im Teutoburger Wald nutzen: Der Detmolder möchte, rechts und links der Gauseköte 13 Windkraftanlagen bauen zu lassen und hat dafür die Flächen für mehrere Jahrzehnte an Westfalenwind verpachtet – die Verträge sind gemacht, die Gutachten liegen vor nun muss die zuständige Behörde, der Kreis Lippe, entscheiden. Ein Gespräch an der Gauseköte, wo viele Bäume abgestorben sind und etwas Neues entstehen soll, über Klimwandel, Windparkpläne samt Profiteure, seine Kritiker und den Nationalpark Teutoburger Wald. Begleitet wird Stephan Prinz zur Lippe an diesem Nachmittag von seinem Förster Jürgen Windmann, der seit 20 Jahren für das Fürstenhaus arbeitet.

EIne Panoramaaufnahme an der Gausköte – mit Stephan Prinz zur Lippe, Erol Kamisli und Förster Jürgen Windmann (v.links).

Herr Prinz zu Lippe, wenn Sie hier stehen und über die toten Flächen blicken, wie geht es Ihnen dabei?
Stephan Prinz zur Lippe: Es ist eine Mischung aus Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Wir befinden uns hier am Rande der Gauseköte – hier stehen noch einige tote Bäume. Als hier im vergangenen Jahr die abgestorbenen Bäume gerodet wurden, war der restliche Wald noch grün und ich war voller Hoffnung, dass der Borkenkäfer genug hat und uns in diesem Jahr verschont. Doch es war vergebens, der Käfer hat hier alles platt gemacht. Eine andere spannende Frage ist, warum ist es das links und rechts der Gauseköte ein Problem…

Warum?
Prinz zur Lippe: Hier stehen relativ viele Fichten – knapp 50 Prozent des Bestandes. Der Anteil ist aus heutiger Sicht viel zu hoch. Entstanden ist der große Fichtenbestand in der Zeit zwischen den Weltkriegen und unmittelbar danach: Weil Teile der nach den Kriegen zu zahlenden Reparationen durch Holz beglichen wurden, waren erhebliche Kahlschläge die Folge. Zur Wiederaufforstung bot sich die schnellwachsende Fichte an, da sie auch wirtschaftlich ein Superbaum ist. Ihr Holz war sehr gut für den industriellen Wiederaufbau geeignet, doch seit einigen Jahren rächt sich der monokulturelle Anbau: Die Altfichte stirbt zu 100 Prozent. Die Fichtenbeständen sind durch die extreme Wärme und Trockenheit der Jahre 2018 und 2019 geschwächt und werden vom Borkenkäfer dahingerafft.

Das klingt nach Trauerrede, sind wir jetzt auf einer Fichten-Beerdigung?
Prinz zur Lippe: Das können Sie so beschreiben, doch nicht nur Waldbesitzer, sondern auch viele Mitarbeiter sind verzweifelt. Es gibt Förster, die in Depressionen verfallen und arbeitsunfähig werden, weil sie das Waldsterben nicht mehr aushalten. Ist doch so, oder Herr Windmann?
Jürgen Windmann: Viele.

Förster Jürgen Windmann klagt über die trockenen Sommer – im Hintergrund hört Stephan zur Lippe aufmerksam zu.

Was sind die Konsequenzen des Waldsterbens?
Prinz zur Lippe: Ich verdiene aus dem Wald künftig kein Geld mehr, trotzdem habe ich sehr hohe Kosten für Wiederaufforstung, Personal, Wegebau, Versicherung sowie Steuern und Abgaben. Wir haben zwar noch die schöne, gute Buche, aber unser ‚Brot- und Butterbaum‘, von dem wir gelebt haben, war in den vergangenen Jahrzehnten immer die Fichte.

Sie haben ja bisher immer von der Holzwirtschaft gelebt – ist diese Branche genauso am Ende wie der Wald hier?
Prinz zur Lippe: Es gibt immer noch die Buche. Die Holzwirtschaft ist nicht tot, aber sie ist jetzt mehr oder weniger Naturpflege, aber keine wirtschaftliche Grundlage mehr.

Aber Sie verdienen gegenwärtig noch am Holz – oder ist es bereits ein Verlustgeschäft?
Prinz zur Lippe: Bisher schreiben wir eine schwarze Null durch die Masse. Aber es gibt einen gewaltigen Preisverfall, oder Herr Windmann?
Windmann: Ja, der liegt bei 75 Prozent, doch auch die Holzqualität lässt nach. Für Dachstühle taugen die meisten Fichten jetzt schon nicht mehr.

Daran ist nur der Borkenkäfer schuld?
Windmann: Daran sind nur die Trockenjahre 2019 und 2020 schuld. Die Bäume können sich ohne Wasser gegen den Käfer gar nicht wehren.

Können Sie das hier wieder aufforsten?
Windmann: Der Wald wird sich wieder bewalden, wahrscheinlich wieder mit Fichte, weil viel Fichtensamen im Boden liegt, aber wir brauchen einen Umbau in den Wäldern, die für mehr Stabilität sorgt.

Was heißt Umbau – neue Arten?
Windmann: Ja, aber es gibt im Moment auf dem Markt keinen Ersatz für Fichte.
Prinz zur Lippe: Welche Baumarten zum Einsatz kommen könnten, darüber wird gerade diskutiert, in Betracht kommen Buche, Eiche, Esskastanie, Nußbaum und Douglasie. Sagen wir mal, ich würde 200 Hektar wieder aufforsten, das kostet mich in etwa 10.000 Euro pro Hektar, dann wären das zwei Millionen Euro, die ich nicht habe.

Aber da gibt’s ja Unterstützung vom Staat?
Prinz zur Lippe: Ja, doch die Hilfen sind nicht pro Hektar gedeckelt, sondern pro Eigentümer. Ich bekomme für meine gesamte Fläche 50.000 Euro im Jahr. Mit dieser Unterstützung kann ich jährlich fünf Hektar aufforsten. Mit den Fördermitteln bräuchte ich für die 200 Hektar 40 Jahre.

Ok, aber Sie gehören schon zu den größeren Waldbesitzern in NRW…
Prinz zur Lippe: Aber weitem nicht der Größte – ich gehöre nicht zu den Top 10 der privaten Waldbesitzer, aber vielleicht zu den Top 25.

Sie bewirtschaften den Wald und leben auch davon?
Prinz zur Lippe: Ja, und ich unterhalte davon auch ein Schloss, da braucht man eine Einkommensquelle wie den Wald und wenn die ausfällt, muss man sich Gedanken machen.

Die Gedanken haben Sie sich ja gemacht…
Prinz zur Lippe: Genau.

Und?
Prinz zur Lippe: Meine Überlegung ist es hier Windkraftanlagen aufzustellen, und zwar in erster Linie auf den verwüsteten Flächen, die momentan ohnehin nicht bewaldet sind. Windenergie ist ein Beitrag zum Klimaschutz und würde meine Verluste auf dem Waldgeschäft ausgleichen. Die Einnahmen würden mir helfen, die Wiederaufforstung Schritt für Schritt in Angriff zu nehmen – nicht aber in 40 Jahren, sondern in zehn oder 15 Jahren und ich könnte das Schloss weiter unterhalten und erhalten.

Eignet sich denn der Standort überhaupt?
Prinz zur Lippe: Wir stehen hier auf einem sehr guten Windstandort. DIe Windenergieanlage sind zwar keine Schönheit, aber dafür sehr effizient. Eine Anlage hier auf der Gauseköte spart drei Anlagen auf dem flachen Land. Und länger als 40 Jahre werden die Bauten hier auch nicht stehen, das Landschaftsbild wird sich davon wieder erholen. Es ist kein Dauerzustand und die Anlagen lassen sich heutzutage komplett rückbauen und entsorgen. Die Bedenken, dass dann tonnenweise Sondermüll übrig bleibt, gelten nicht mehr.

Wie und wann sind Sie auf die Idee mit den Windkraftanlagen gekommen – waren Sie auf der Suche nach alternativen Einnahmequellen?
Prinz zur Lippe: Nach den Sturm Friederike 2018 ging das alles noch, doch 2019 kam der Borkenkäfer, der riesige Flächen zerstört hat. Dann habe ich gedacht, Oh Gott, was machst Du jetzt? Dabei bin ich auf die Idee gekommen, dass Windkraft eine Alternative sein könnte. Die Idee haben wir im Laufe der Zeit weiter vertieft.

Wer ist wir?
Prinz zur Lippe: Das bin ich und der Betreiber Westfalenwind. Alleine wäre mir das Projekt ein paar Nummern zu groß.

Die Idee ist also in Ihnen gereift, Sie haben einen Investor gefunden und sind dann an die Öffentlichkeit gegangen – waren Sie überrascht von den Reaktionen oder waren diese erwartbar aus Ihrer Sicht?
Prinz zur Lippe: Ich habe es erwartet und weiß, dass viele Menschen erst mal schockiert und entsetzt sind, dass auf dem Kamm des Teutoburger Waldes Windkraftanlagen stehen sollen. Aber ich habe mich auch gefreut, dass viele Menschen meine Gedanken und Pläne unterstützen.

Wie groß ist der Anteil der Kritiker und der Unterstützer?
Prinz zur Lippe: Es hält sich die Waage.

Die Verträge mit Westfalenwind sind unterzeichnet, die Anträge gestellt und wie sieht es mit den Gutachten aus?
Prinz zur Lippe: Alle Anträge sind gestellt, aber es liegen noch nicht alle Gutachten vollständig vor.

Wie viele fehlen noch?
Prinz zur Lippe: Dies kann ich gar nicht genau sagen, da ich nicht der Auftraggeber bin. Die Anträge stellt Westfalenwind.

Es müssen ja mehrere Gutachten her….
Prinz zur Lippe: Artenschutz, Schallschutz, Eiswurf, Baugrund, Gewässerschutz und vieles mehr.

Und alles schon da?
Prinz zur Lippe:
Im Wesentlichen schon.

Wer hat das alles bezahlt?
Prinz zur Lippe: Westfalenwind.

Und diese Expertisen geben alle grünes Licht für das Vorhaben?
Prinz zur Lippe:
Soweit wir dies beurteilen können, ist dies der Fall.

Was steht in dem Gutachten zur Artenvielfalt in Sachen Vogelreichtum?
Prinz zur Lippe: Die meisten Vögel leben im Wald und nicht über dem Wald – dazu gehören auch die Fledermäuse. Da die Windkraftanlagen so hoch sind, tangieren sie die Vögel nicht. Also je höher diese Anlagen sind, desto auffälligerer mögen sie sein, aber umso geringer sind die Auswirkungen auf die Vogelwelt. Gefährdet sind Greifvögel und da insbesondere der Rotmilan, der sich während der Jagd hochschrauben kann. Aber da gilt, der Rotmilan jagt im offenen Land, auf der Wiese, die Mäuse und nicht im Wald. Deswegen kommt es nicht nur darauf an, ob ein Rotmilan unterwegs ist, sondern wo seine Flug-, Futter- und Nahrungsregionen sind. Deswegen ist die Winkraftanlagen-Problematik mit Vögeln im offenen Land größer, als im Wald.

Was ist mit der Wasserversorgung?
Prinz zur Lippe: Diese wurde hier auch untersucht – die Fundamente der Anlagen gehen maximal zweieinhalb bis drei Meter in die Erde. Im betroffenen Bereich gibt es zwar die Wasserführung zu den Berlebecker-Quellen, die Fundamente sind aber nicht so tief, dass es sich auf die Wasserführung und das Grundwasser auswirken wird, sagen unsere Untersuchungen.

Und was für ein Gefühl haben Sie?
Prinz zur Lippe: Ich hoffe natürlich, dass das Projekt klappt – auch im Konsens mit den Kritikern. Alle Bedenken wird man nicht wegdiskutieren können, aber ich würde mir wünschen, dass die Menschen ihre Bedenken zurückstellen und am Ende des Tages positiv überrascht sind und sich freuen, dass die Region mit regenerativer Energie versorgt wird. Man muss eben in Rechnung stellen, dass wir hier ein Windaufkommen haben, dass mit der Nordseeküste zu vergleichen ist.

Sagt wer?
Prinz zur Lippe: Gutachter, die hier Messungen vorgenommen haben. Mit diesen Anlagen erzeugen wir regenerative Energie für Elektro-Mobilität und Digitalisierung. Wenn die Technologie soweit ist, können wir hier vor Ort auch Wasserstoff für weitere alternative Antriebstechnologien produzieren. Die Windkraftanlagen sind ein positiver Effekt für die Region und ich hoffe, dass das auch so verstanden wird.

Stephan Prinz zur Lippe fährt regelmäßig durch seinen Wald, aber bei einem Holzpreisverfall von bis 75 Prozent braucht als alternativen Einnahmenquelle – nun möchte er 13 Windkraftanlagen auf der Gausköte aufstellen lassen.

Sie kooperieren mit Westfalenwind – wie viel Geld wird das Unternehmen hier investieren?
Prinz zur Lippe: Ich weiß es nicht genau, aber ich schätze etwa 80 Millionen Euro.

Was kostet Sie das alles?
Prinz zur Lippe: Mich kostet es nichts, weil ich das Land verpachte.

Warum haben Sie sich für Westfalenwind entschieden – gab es keine anderen Partner?
Prinz zur Lippe: Ich habe meinen Geschäftspartner genau ausgesucht und mir hat Westfalenwind gut gefallen, weil es ein mittelständisches, eigentümergeführtes und regional-vernetztes Unternehmen ist, das zu mir passt.

Die Verträge sind gemacht?
Prinz zur Lippe: Ein entsprechender Gestattungsvertrag ist unterzeichnet. Links und rechts der Gauseköte würden danach 13 Windkraftanlagen auf einer Gesamtfläche von circa 400 Hektar entstehen. Der Wald dazwischen bleibt selbstverständlich erhalten, beziehungsweise die vom Borkenkäfer zerstörten Flächen werden wieder aufgeforstet. Tatsächlich versiegelt und von Wald freigehalten, werden lediglich zehn Hektar.

Diese Anlagen überragen dann die Bäume…
Prinz zur Lippe: Ja, die Windkraftanlagen haben eine Nabenhöhe von 160 Meter, mit Flügeln sind wir bei 240 Metern. Das sind schon gewaltige Bauwerke, aber sie gehen in die Höhe und nehmen wenig Grundfläche ein.

Die Standorte der Windkraftanlage sind also schon geklärt?
Prinz zur Lippe: Die Standorte für jede einzelne Anlage wurde sehr genau untersucht und festgelegt.

Strom von der Gausköte reicht für die Haushalte in Detmold und Lemgo

Stephan Prinz zur Lippe

Wie viele Haushalte können die 13 Windkraftanlagen mit Strom versorgen?
Prinz zur Lippe: Rund 55.000 – also der Strom würde ausreichen, um beispielsweise die Haushalte in Detmold und Lemgo zu versorgen.

Die Anlagen müssen ja irgendwie hier hoch und der Strom muss runter – wie soll das gehen – wird dafür neue Infrastruktur geschaffen?
Prinz zur Lippe: Das ist eine sehr gute Frage. Man kennt die riesigen Flügel auf den überdimensionalen Transportern, die auf den Autobahnen fahren. Die Einzelteile für unsere Windkraftanlagen werden angeliefert und erst einmal voraussichtlich auf einem zentralen Lagerplatz an der Gaststätte „Kreuzkrug“ gelagert. Dann werden diese Teile umgeladen und müssen teilweise hochkant und im Schneckentempo nach oben auf die Gauseköte befördert werden. Für diesen Transport müsste eventuell kurzfristig auch die Straße gesperrt werden. Die Teile werden dann an den einzelnen Standorten abgelegt und vor Ort zusammengesetzt. Deshalb wird es nicht nötig sein, überdimensionierte, neue Wege in den Wald zu bauen.

Aber auch keine kleinen?
Prinz zur Lippe: Es sind nur Stichwege zu den einzelnen Anlagen geplant.

Und wie kommt der Strom in die Haushalte?
Prinz zur Lippe: Dafür wird Westfalenwind Erdkabel am Wegesrand verlegen. Diese Leitungstrasse soll dann ins Umspannwerk nach Vahlhausen führen und dort ins Stromnetz eingespeist werden, so die aktuelle Überlegung.

Die Kritiker führen an, dass diese Riesenbauten eines Privatinvestors die Landschaft samt Hermann, der nur 80 Meter hoch ist, verunstalten…
Prinz zur Lippe: Ich sag‘ mal, einen Tod muss man sterben. Für die Energieversorgung gibt es vier Säulen. Wir dürfen wegen des Klimaschutzes ab 2035 keine Kohle mehr verstromen und Atomkraft wollen wir auch nicht. Bei der regenerativen Energie können wir sagen, wir schonen den Wald, doch dann müssen wir näher an die Wohnbebauung. Leben mit bedrängendem Ausblick auf einen Windrad will aber auch niemand. Da bleibt nur noch die vierte Alternative, diese Anlagen in der freien Landschaft zu bauen. Und kurz zum Privatinvestor – wir leben in einem marktwirtschaftlichen System, der Staat alleine kann die Versorgung nicht leisten. Und wenn man diese Anlage nicht baut, kann mach auch nicht 55.000 Haushalte ortsnah mit regenerativer Energie versorgen.

Wie groß müssen die Abstände von Windkraftanlagen zur Wohnbebauung sein?
Prinz zur Lippe: Mindestens 1000 Meter, das halten wir locker hier auf der Gauseköte ein. Und zwischen den einzelnen Anlagen sollte ein Abstand von rund 400 Metern eingehalten werden, damit diese sich nicht gegenseitig stören.

Gab es keine Alternativen zu Windkraftanlagen?
Prinz zur Lippe: Im Prinzip ist Windkraft das nächstliegende und am leichtesten umsetzbare Projekt. Sie können auch überlegen, hier ein Solarfeld hinzusetzen. Das würde aber viel mehr Fläche verbrauchen. Man muss auch berücksichtigen, dass das Bundesbaugesetz im Außenbereich nur Windkraft privilegiert. Daher stand eine Solar-Alternative nicht zur Debatte. Und was Alternativen angeht, möchte ich noch einen Punkt hinzufügen. Alle nutzen den Wald sehr gerne zur Erholung, zum Grundwasserschutz und als CO2-Senke. Aber niemand ist bereit dafür etwas zu zahlen. Wenn jetzt die Politik sagen würde, wir zahlen einen Waldcent, einen bestimmten Betrag pro gebundener Tonne CO2 oder pro Hektar, wie in der Landwirtschaft üblich, an die Waldbesitzer, dann wäre dies natürlich auch eine Alternative. Aber auf so eine Gesetzgebung möchte ich mich nicht verlassen und darauf auch nicht warten müssen.

Der Kreis Lippe ist die Genehmigungsbehörde, aber da sind ja noch drei Kommunen beteiligt – Detmold, Horn-Bad Meinberg und Schlangen gibt’s da irgendwelche Signale?
Prinz zur Lippe: Die Gemeinden haben wir auf das Projekt angesprochen. Ich biete das Gespräch samt Projektvorstellung auch jeder politischen Fraktion an. Aber die Antragstellung hat gerade begonnen – der Antrag samt aller Gutachten muss vollständig vorliegen und vom Kreis öffentlich gelegt werden. Dann ist auch die Zeit, darüber ausführlich zu diskutieren.

Detmold, Schlangen und Horn-Bad Meinberg kassieren jährlich 50.000 Euro pro Anlage auf ihrem Gebiet

Stephan Prinz zur Lippe

Wie war die Rückmeldung aus den Gemeinden?
Prinz zur Lippe:
Wir haben keine grundsätzliche Ablehnung vernommen, aber natürlich befinden sich die Kommunen jetzt erst einmal in der Meinungsfindung.

Keiner hat Ihnen gleich einen Vogel gezeigt oder gesagt Sie spinnen wohl?
Prinz zur Lippe: Nein. Denn die Gemeinden werden von diesem Windkraftprojekt erheblich finanziell profitieren. Sie bekommen Gewerbesteuer und nach dem neuen Erneuerbare-Energien-Gesetz erhalten sie 0,2 Cent pro Kilowattstunde. Also ich rechne damit, dass pro Windkraftanlage über den groben Daumen etwa 50.000 Euro pro Jahr für die Gemeinden abfällt.

Das wären im Fall Schlangen, die dann sechs Windkraftanlagen auf ihrem Gebiet stehen haben, jährlich 300.000 Euro – für nix?
Prinz zur Lippe:
So könnte man es rechnen. Dieses Geld können die Kommunen natürlich sehr gut gebrauchen, gerade wenn man sich vor Augen hält, dass durch die Wirtschaftskrise und die Pandemie Gewerbesteuerzahler wegbrechen.

Die restlichen 350.000 Euro teilen sich dann Detmold und Horn-Bad Meinberg?
Prinz zur Lippe: Die Aufteiliung erfolgt entsprechend der Anzahl der Standorte auf dem jeweiligen Gemeindegebiet.

Wer würde denn noch von den Bauten profitieren?
Prinz zur Lippe: Auf jeden Fall auch die lokalen Handwerksbetriebe, denn Westfalenwind will in erster Linie heimische Unternehmen mit den nötigen Arbeiten beauftragen.

Die 13 Windkraftanlagen könnten sich bereits Ende 2023 drehen

Stephan Prinz zur Lippe

Wenn alles gut geht, wann könnte der Bau des Windanlagen-Projekts starten?
Prinz zur Lippe: Wenn man sehr optimistisch rechnet, könnte man Ende 2022 oder Anfang 2023 mit einem Baustart rechnen und Ende 2023 würden sich die Windkraftanlagen drehen.

Und wenn nicht?
Prinz zur Lippe: Dann dauert es noch zwei oder drei weitere Jahre.

Sie würden dann den Klageweg bestreiten?
Prinz zur Lippe: Nicht ich, sondern Westfalenwind als Vorhabenträger würde vor das Oberverwaltungsgericht Münster ziehen.

Aber mit Ihrer Unterstützung?
Prinz zur Lippe: Ja, klar.

Hat Westfalenwind Erfahrung mit ähnlichen Projekten?
Prinz zur Lippe: Windkraftanlagen im Wald stecken in NRW noch in Kinderschuhen und werden nur genehmigt, wenn es örtlich keine Alternativen gibt. Dies könnte hier der Fall sein, weil die Gegend so zersiedelt ist, dass anderswo der 1000 Meter Abstand nicht eingehalten werden kann.

Aber Detmold hat doch Flächen für Windanlagen ausgewiesen?
Prinz zur Lippe: Ich glaube Detmold hat bisher sechs oder sieben Windkraftanlagen und die Windvorrangzonen, die die Stadt ausgewiesen hat, entsprechen nicht mehr der aktuellen Rechtslage, weil sie alle den 1000 Meter Abstand zur Wohnbebauung nicht einhalten. Da könnte man heute keine Windkraftanlagen mehr bauen. Unseres Erachtens fehlen diese Flächen nicht nur in Detmold, sondern auch in Horn-Bad Meinberg und Schlangen.

Die Bedenken von NABU und Bund

sind rein spekulativ

Stephan Prinz zur Lippe

Es gibt ja auch Stimmen, die Ihnen vorwerfen, die Zerstörung der Erholungslandschaft Teutoburger Wald voranzutreiben, darunter der Heimatbund Lippe sowie der Naturschutzbund Deutschland (NABU) und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) – stehen Sie mit denen in Kontakt?
Prinz zur Lippe: Mit der Führung des Heimatbundes stehe ich im Austausch – dort ist man etwas zurückhaltender geworden, nachdem ich das Projekt erläutert habe. BUND und NABU haben mich bisher nicht auf das Thema angesprochen, daher sind ihre Bedenken also rein spekulativ. Die Touristik-Frage ist aber berechtigt. Ich bin dazu der Meinung, dass der touristische Wert der Region durch die Windkraft nicht beeinträchtigt wird.

Woran machen Sie das fest?
Prinz zur Lippe: Die touristische Wertschöpfung lässt sich zum Beispiel an Übernachtungszahlen messen – in Paderborn gibt es sehr viel mehr Windkraft als bei uns, trotzdem sind die Übernachtungszahlen gestiegen. Es gibt auch den Rothaarsteig durch das Rothaargebirge, das ist der beste und meistbeworbenste Wanderweg in NRW, dort hat man auch Windkraftanlagen gebaut und trotzdem ist der Rothaarsteig nicht weniger bewandert worden.

Also keine Gefahr für den Tourismus…
Prinz zur Lippe: Nein. Ich glaube Lippe wird attraktiver, wenn unsere Region sich als Fahrrad- und Wanderregion aufstellt und auch mit regenerativer Energie und einem Beitrag zum Klimaschutz wirbt. So können Menschen herkommen, ihr Elektroauto oder E-Bike mit dem hier vor Ort produzierten Ököstrom wiederaufladen. Ich denke, dass das eher ein Werbe- und Alleinstellungsmerkmal ist, als dass es die Menschen abschreckt.

Einen Nationalpark Teutoburger Wald gibt es nicht ohne meine Zustimmung

Stephan Prinz zur Lippe

Also sollen Windanlagen zum Aushängeschild der Region werden und Sie glauben, dass das zieht?
Prinz zur Lippe: Ich denke, dass der Tourismus nicht unter den Windkraftanlagen leidet.

Ihre Kritiker sagen, dass die Windkraftanlagen genau auf den Flächen stehen soll, auf denen auch der Nationalpark Teutoburger Wald errichtet werden sollte und sie werfen Ihnen vor, dass Sie mit den Bauten der Idee des Nationalparks den endgültigen Todesstoß verpassen wollen…
Prinz zur Lippe: Das ist absoluter Unsinn. Den Nationalpark Teutoburger Wald auf Privatflächen aufzubauen, ist völlig sinnlos, weil es ohne meine Zustimmung sowieso nicht geht. Einen eventuellen Nationalpark Senne tangieren diese Anlagen nicht.

Hier hat der Borkenkäfer zugeschlagen.

Und Sie sind immer noch gegen den Nationalpark Teutoburger Wald?
Prinz zur Lippe: Schauen Sie sich doch die toten Fichtenflächen an. Die Kulisse ist nicht mehr eines Nationalparks würdig – und natürlich will nach wie vor meinen Wald lieber nutzen, als einem Nationalpark zur Verfügung stellen.

Sie scheuen ja nun auch beim Thema Windkraftanlagen die Kontoverse nicht – sind Sie enttäuscht, verletzt, wenn die Kritik so laut wird?
Prinz zur Lippe: Im Gegenteil, mich stachelt Kritik an, mich noch intensiver mit einem so wichigen Thema auseinanderzusetzen. Ich sage dazu: ‚The hater is my motivator‘ (deutsch: Meine Gegner sind mein Antrieb).

Haben Sie noch etwas auf dem Herzen?
Prinz zur Lippe:
Ich glaube, dass durch den Klimawandel sehr schwierige Zeiten auf uns zukommen. Wir können nicht einfach so weitermachen, wenn wir die Welt für unsere Kinder erhalten wollen. Auf der anderen Seite können wir auch nicht in Sack und Asche gehen – ich glaube, dass die künftigen Generationen auch verreisen müssen, um die Welt kennenzulernen. Dennoch bin ich ein Fan von ‚Fridays for Future‘ geworden, denn der Appell für mehr Klimaschutz ist richtig und wichtig. Und es ist eine Schicksalsfrage, wie für 10 Milliarden Menschen auf der Welt hinreichend saubere Energie zur Verfügung gestellt wird, hierauf gibt es bisher keine befriedigende Antwort. Wir müssen begreifen und akzeptieren, dass wir in einem Wandel leben, dazu gehören auch Windkraftanlagen im Wald, um unsere Umwelt zu erhalten. Es reicht nicht zu sagen, Windkraftanlagen sind gut, aber bitte nicht vor meiner Haustür. Ich erwarte von den Kritikern, dass sie einen konstruktiven Beitrag leisten. Dazu gehört, bei Kritik auch bessere Alternativen aufzuzeigen. Dies sind die Kritiker bisher schuldig geblieben.

Sie sind ja selber fünffacher Vater zeigen Ihre Kinder Interesse für diese Themen?
Prinz zur Lippe: Oh ja sehr, wir diskutieren es sehr häufig.

Und der Nachwuchs sagt, Papa das machst Du super…
Prinz zur Lippe:
Ja, genau.


Bilder: Bernhard Preuss

Ein Kommentar zu “Prinz zur Lippe: „Mich stachelt die Kritik an“

  1. Ich finde es erschreckend das es hier nur um den Tourismus geht , das es die Leute nicht stören wird .Was ist mit den vielen Tieren die in der Umgebung leben , z.B. Maulwürfen denen das Geräusch sowie die Erschüterung im Erdreich nicht mögen , Vögel die dort Fliegen und sich daran verletzen können , die Adlerwarte die dort in der Nähe ist die ihre Tiere dort Fliegen läst. Ich bin auch für Windkraft keine Frage aber dieser Platz ist für mich eindeutig ein Falscherplatz . Und nur weil der Wald zerfällt heißt es nicht das man dort dan Metallbolzen in die Erderammen darf mit Propeller dran . Ich bin dafür den Wald wieder neu Anzulegen und den Windpark an einer anderen Stelle zu Bauen , wo keine Natur und Lebens Räume der Tiere Zerstört wird.

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