Der Guide Michelin hat wieder seine begehrten Gastronomiesterne vergeben. Und auch in Detmold durfte gejubelt werden: Jan Diekjobst (27), Geschäftsführer und Küchenchef sowie sein Team in „Jan’s Restaurant“, durften jubeln. „Jan Diekjobst versteht sich auf eine moderne, kreative und zugängliche Küche“, so das Lob des Guide Michelin. Es ist der erste Stern für eine Gastronomie in Lippe. Ein Gespräch mit dem jungen Sternekoch über seine Berufswahl seinen Kochstil, seine Heimatliebe sowie einen Sternezuschlag und die künftigen Pläne.
Herr Diekjobst, erst einmal Glückwunsch zum ersten Michelin-Stern.
Jan Diekjobst: Dankeschön.
Wie wurden Sie über die Auszeichnung informiert – per Brief, Mail oder gab es den berühmten Anruf?
Diekjobst: Es war am Freitag, der 5. März – dieses Datum werde ich nie vergessen – und der Stern kam wirklich wie aus dem Nichts. Ich saß mit Papa im Büro, wir haben Kaffee getrunken und um 11 Uhr fing die Michelin-Übertragung live auf YouTube aus Paris an. Da ich in einigen Sterne-Restaurants gearbeitet habe und in Kontakt mit den Kollegen stehe, wollte ich die Übertragung aus reinem Interesse anschauen. Dann wurden die 25 neuen Sterne-Restaurant in Deutschland vorgestellt und an sechster oder siebter Stelle kam ‚Jan’s Restaurant‘.

Und dann?
Diekjobst: Ich habe ein paar Mal zurückgespult, weil ich völlig baff war. Doch ich war skeptisch und wollte die offizielle Pressemitteilung abwarten – vielleicht lag ja eine Verwechselung vor. Dann wurde es bestätigt und wir haben die Korken knallen lassen.
Geht mit dem Stern ein Traum in Erfüllung?
Diekjobst: Es ist unglaublich und das innerhalb so kurzer Zeit. Ich habe den Laden im März 2019 übernommen und nicht mal zwei Jahre nach Existenzgründung kommt so eine Auszeichnung. Aber es ist nicht nur mein Verdienst, es hat ganz viel mit dem Team im Hintergrund zu tun, das einen grandiosen Job macht.
Wie groß ist das Team?
Diekjobst: Es sind 15 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – sieben in der Küche, der Rest im Service und Hotel. Wir sind ein junges Team und verstehen uns auch außerhalb der Arbeit gut, dass erleichtert extrem viel.

Was bedeutet die Auszeichnung Ihnen persönlich?
Diekjobst: Am 5. März um kurz nach 11 Uhr ist für mich ein Traum wahr geworden. Ich bin ein ehrgeiziger Mensch, stecke mir Ziele und habe einen Plan. Nach meiner Ausbildung bei Gottfried „Gotti“ Schuster am Lippischen Hof, der gemeinsam mit meinem Berufsschullehrer Jürgen Rabe einen großen Verdienst an dieser Auszeichnung hat, habe ich mit 25 Jahren den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Dieser große Erfolg zeigt, dass Ziele erreicht werden können, wenn man Willen, Energie, Rückhalt und ein gutes Team hat.
Kriegen Sie jetzt eine Kochjacke mit Stern oder ein Schild draußen ans Gebäude?
Diekjobst: Ja, die Jacke mit Michelin-Logo ist schon da und das rote Schild wird bald angebracht.
Haben Sie überhaupt gemerkt, dass der oder die Tester des roten Gastroführers, die ja Inspekteure heißen, im vergangenen Jahr hier waren zum Probeessen?
Diekjobst: Nein. Es ist auch nicht so, dass geurteilt wird, nachdem die Inspekteure einmal hier gegessen haben.
Sondern?
Diekjobst: Alle Restaurants, die unter die Lupe genommen werden, werden mindestens drei Mal getestet. Es ist auch nicht so, dass ich bei Michelin anrufe und mich um eine Bewertung bewerben kann. Das läuft nur über Empfehlungen von Kollegen und Gästen. Mein Werdegang hat bestimmt geholfen.

Sie waren ja nach ihrer Ausbildung knapp sieben Jahre unterwegs – Hamburg, Portugal und auch an der Mosel – warum sind Sie zurück?
Diekjobst: Die Heimat ist die Heimat und hier fühle ich mich wohl. Gerade bei dem was ich hier tue, bei dem Stress und der Erwartungshaltung, die ich an mich selbst habe, sind Rückhalt und ein angenehmes Umfeld extrem wichtig. Ich habe mit 19 Jahren, nach meiner Ausbildung, Lippe verlassen und in Hamburg, Portugal und an der Mosel mehr oder weniger immer alleine gelebt. Da kam ich nach einem anstrengenden Arbeitstag nach Hause, saß an meinem freien Tag im Appartement oder am Strand in Portugal – alles schön und gut, doch hier sind Freunde, Familie und mein Wohlgefühl.
Sie haben jetzt einen Stern und waren auch in der Kochsendung „Mein Lokal, Dein Lokal“ sehr gut, doch Ihr Restaurant hat jetzt schon länger geschlossen wie deprimierend ist das?
Diekjobst: Ich bekomme schon ab und zu mal schlechte Laune, wenn ich überlege, was normalerweise hier los wäre. Das Take-Away-Geschäft am Freitag und Samstag läuft gut, ist aber nicht vergleichbar mit dem was hier normalerweise im Restaurant los wäre. Aber ich lasse mir die Laune nicht von Sachen verderben, auf die ich keinen Einfluss habe. Wir kriegen jetzt neue Kochjacken, Schuhe für alle Mitarbeiter, haben ein neues Logo entworfen und kochen schon die komplette Karte für die Wiedereröffnung in diesem Jahr, wann auch immer die sein wird.
Warum gibt’s jetzt neue Jacken?
Diekjobst: Wir sind als Team zusammengewachsen – der Erfolg gibt uns jetzt recht. Mir ist es wichtig, dass die Mitarbeiter sehen, dass was der Diekjobst vor zwei Jahren angefangen hat, ist nicht nur Gelaber, da steckt ein Plan, eine Idee dahinter.
Gab es Zweifler?
Diekjobst: Ja, einige haben uns schon belächelt – nach dem Motto: ‚Jetzt macht sich der junge Schnösel selbstständig und will die Detmolder Gastronomie auf neue Weg bringen und kocht nur noch so etepetete mit Pinzette.‘ Und auch das Vorurteil, dass wir kleine Portionen für große Preise anbieten, haben wir widerlegt. Wir haben ein sehr gesundes Preis-Leistung-Verhältnis.
Ich habe lieber jeden Tag mein Restaurant voll und keinen Stern
Jan Diekjobst, Sternekoch
Welche Auswirkungen hat jetzt die Auszeichnung auf die Preise – gibt es einen Sternzuschlag?
Diekjobst: Definitiv nicht. Fakt ist, der Michelin-Stern ist eine Auszeichnung für die Qualität auf dem Teller im Jahr 2020 – wir haben die Auszeichnung also für unsere Leistungen in der Vergangenheit und nicht für die künftige Arbeit erhalten. Der Stern bedeutet nicht, dass wir die Preise für jedes Gericht um 15 Euro erhöhen. Wir wollen unsere Qualität steigern, dementsprechend erhöht sich ein wenig der Wareneinsatz, weil wir bessere Produkte fürs Menü verwenden wollen. Daher werden sich eventuell die Preise erhöhen, doch das ist alles in einer Spanne von zwei bis sechs Euro und sehr überschaubar.
Das ist doch mal eine Nachricht für die Fans Ihrer Kochkunst…
Diekjobst: Natürlich wollen wir unseren Stern verteidigen und die Qualität steigern. Doch über allem steht das wirtschaftliche Arbeiten und die Zufriedenheit der Gäste. Ich habe lieber jeden Tag mein Restaurant voll und keinen Stern.
Haben Sie noch Platz auf der Gästeliste oder ist schon alles ausgebucht, wenn Sie wieder öffnen?
Diekjobst: Wir haben Vorreservierungen von Stammgästen und Freunden, egal wann wir wieder aufmachen. Durch unseren Stern gewinnt Detmold und auch die gesamte Region an Strahlkraft. Menschen aus Dortmund, Hamburg oder Düsseldorf wollen uns jetzt besuchen, weil sie nun ein kulinarisches Ziel haben und in einem unserer Hotelzimmer übernachten können.
Wie viele Plätze haben Sie im Restaurant?
Diekjobst: Wir nehmen nicht mehr als 60 Gäste an, weil sonst die Qualität leidet.
Derzeit müssen Sie sich darum keinen Kopf machen, es läuft ja nur das Abholgeschäft…
Diekjobst: Ja leider, ich weiß gar nicht, wann ich das letztes Mal etwas auf Tellern angerichtet habe. Für das Take-Away-Speisen richten wie in biologisch-abbaubaren Verpackungen an.
Verwenden Sie andere Zutaten für Take-Away-Gerichte als à la Carte?
Diekjobst: Nein, keine andere Zutaten, aber der Aufwand ist ein anderer. Du brauchst halt in einer Verpackung nicht mit Pinzette anrichten. 95 Prozent der Kunden, die bei uns bestellen, richten sich das Essen zu Hause auf einem Teller an.
Ich habe auf ihre Homepage geschaut, Sie haben ja schon ein üppiges Angebot – Vorspeisen, Entenbrust, Wiener Schnitzel, Dessert – schnüren Sie da Pakete zum Warmmachen oder ist schon alles fertig in Warmhalte-Schalen?
Diekjobst: Das Wiener Schnitzel, darf nicht fehlen, sonst gibt’s Ärger mit den Gästen – es ist der absolute Klassiker. Die kalten Sachen stehen in der Kühlung hinter der Theke, das Schnitzel geht dann erst in die Pfanne, wenn der Abholer hier steht und das Essen mitnehmen möchte. So bleibt es warm und knusprig. Dieses Angebot wird immer auf der Karte bleiben, weil ein gut gemachtes Wiener Schnitzel besser ist, als ein Rinderfilet – Punkt.
Was kostet ein Schnitzel?
Diekjobst: Im Take-Away 22 und im Restaurant 26 Euro. Wir sind kein Etepetete-Laden. Man kann bei uns im Sommer auf der Terrasse sitzen, eine Vorspeise essen und dazu ein Glas Wein trinken, ein Wiener Schnitzel samt Bier genießen, aber es gibt auch ein Vier-Gang-Menü mit Weinbegleitung. Es ist egal, wer du bist, was du tust oder machst, unsere Gästen sollen zu uns kommen und eine schöne Zeit haben – den Rest machen wir.
Also Stammkundschaft halten?
Diekjobst: Genau, die Stammgäste haben uns in den vergangenen Jahren unterstützt und sie sind auch diejenigen, die in der Pandemie unsere Take-Away-Gerichte bestellen. Unsere Basis ist die Heimat, die Menschen hier vor Ort und nicht der Gast aus Dortmund, der einmal am Wochenende zu uns kommt.
Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit in Ihrem Arbeitsalltag – kooperieren Sie mit lokalen oder regionalen Lieferanten?`
Diekjobst: Das beste Beispiel sind unsere Take-Away-Verpackungen – alles vollständig kompostierbar. Unser Grundprinzip ist saisonal-regional. Wir kaufen Wasser, Säfte, Aufschnitt, Brot von lokalen Anbietern und beziehen das Obst und Gemüse vom Detmolder Markt. Aber ich möchte unseren Gästen keine Jakobsmuschel vorenthalten, weil es sie hier nicht gibt. Auch unser Rindfleisch würde ich gerne von einem lokalen Anbieter aus nachhaltiger Haltung beziehen, doch der kann unseren Bedarf leider noch nicht decken. Daher beziehen wir unser Rindfleisch aus Schleswig-Holstein – natürlich auch nachhaltig. Unsere Heimatverbundenheit sehen die Gäste auch an den Restaurantwänden, diese haben wir mit Bildern von heimischen Künstlern geschmückt.
Derzeit arbeiten Sie als Koch auf Sparflamme und haben Zeit für andere Sachen – vielleicht für neue Speisekreationen, die nach den Coronabeschränkungen in Ihrem Restaurant angeboten werden?
Diekjobst: Ja, absolut. Wir haben eine Karte geschrieben für den Restart.
Welches Datum steht darüber?
Diekjobst: Wir sind ein wenig in Richtung Frühling und Ostern unterwegs und rechnen mit dem Terrassengeschäft ab Anfang April.
Also Spargel…
Diekjobst: Ja, Spargel, Bärlauch, Rhabarber. Wenn wir vier Wochen später öffnen, gibt es kein Bärlauch mehr und dann müssen paar Gerichte geändert werden.
Wie läuft das konkret – sitzen Sie im Büro oder in der Küche und warten auf Inspiration?
Diekjobst: Fast, ich sitze mit meinem Stellvertreter René vor einem leeren Blatt Papier und wir überlegen gemeinsam, was uns die Natur zu dieser Zeit bietet, worauf wir Lust haben und welche Gerichte wir schon immer mal unseren Gästen anbieten wollten. Auf dem Blatt stehen dann 40 Speisen, wovon wir zwölf maximal 14 Gerichte für die neue Speisekarte brauchen. Dann wird kombiniert, dazu holen wir uns auch Inspiration aus Kochbüchern und von Kollegen. Dieser Prozess dauert rund vier Wochen.
Wollen Sie schon etwas verraten?
Diekjobst: Ja, wir werden künftig für unser Gäste kulinarische Grüße aus der Küche anbieten – dies hätten wir auch ohne Auszeichnung eingeführt.
Woher nehmen Sie die Motivation, wenn die Öffnungstermine immer wieder verschoben werden?
Diekjobst: Klar hat man mal Durchhänger, da ich meinen Job, meine Berufung nicht ausüben kann. Ich bin trotzdem jeden Tag hier im Laden, weil immer was ansteht, und versuche meine Mitarbeiter bei Laune zu halten. Wir sitzen alle in einem Boot und haben momentan eine schwierige Phase und da ist der Michelin-Stern eine unerwartete, aber sehr schöne Anerkennung und Motivation.
Steigt mit der Auszeichnung jetzt auch der Druck, dass der Stern verteidigt werden muss?
Diekjobst: Klar, wir wollen ihn verteidigen. Wir haben jetzt nicht den Stern erkocht, um ihn nächstes Jahr wieder abzugeben. Eigentlich hatten wir intern besprochen hatten, dass wir in den kommenden Jahren angreifen, um diesen Titel zu bekommen.
Dann kam die Auszeichnung zu früh...
Diekjobst: Nicht zu früh, aber sehr überraschend, weil es überhaupt kein Thema für uns war. Wir wollten erst jetzt angreifen und nach den Sternen greifen.
Was heißt angreifen?
Diekjobst: Wir wollen unsere hohe Qualität weiter steigern. Deswegen führe ich gerade Gespräche mit Zulieferern, um noch bessere Produkte zu bekommen. Zudem haben wir derzeit eine Probe-Phase mit Tauben und Wachteln. Ich liebe französische Taube und schaue jetzt, ob wir dieses Gericht in einem kleinen Zwischengang etablieren können.

Nehmen Sie mich doch mal mit in den Alltag eine Sternekochs – wann legen Sie morgens los?
Diekjobst: Sternekoch hört sich immer noch etwas fremd an – daran muss ich mich noch gewöhnen. Grundsätzlich bin ich ab 9 Uhr im Laden, trinke in Ruhe ein Käffchen. Dann wird die Ware kontrolliert, mit Lieferanten gesprochen und an Markttagen haben wir einen Mittagsservice, das bedeutet die Küche startet um 10 Uhr – dann stehe ich auch dort.
Wie groß ist Ihr Team während des Lockdowns oder haben Sie auch mal alleine Küchendienst?
Diekjobst: Wir haben ja nur an drei Tagen geöffnet. Wir treffen uns am Donnerstag zu viert zur Vorbereitung des Take-Away-Geschäfts. Am Freitag und Samstag sind wir dann zu dritt, dass ist die Take-Away-Phase, dann ist Dienstbeginn um 15 Uhr es wird alles vorbereitet und um spätestens 21 Uhr sind wir alle wieder zu Hause. Derzeit sind neun Mitarbeiter in Kurzarbeit, unsere Azubis, die sind ganz normal weiter beschäftigt. Ich war selber mal Azubi und wenn da noch was vom Lohn abgezogen wird, dann haben die fast gar nichts mehr, um zu Leben.
Was machen Sie bei Ihren Azubis anders, als in Ihrer Zeit…
Diekjobst: Ich bin jetzt keiner der herumschreit, so etwas gab es in meiner Ausbildung auch nicht. Ich mag eher die ruhige Atmosphäre. Wir haben hier den Tom, der ist 16 – ich bin auch mit 16 in die Lehre gegangen, da kannst du halt noch nicht alles wissen. Fehler sind ganz normal, die passieren halt. Wir wollen die jungen Leuten gut ausbilden, das beste Beispiel bin ich selbst. Wenn man eine gute Ausbildung hat, Spaß und Leidenschaft für den Beruf entwickelt, dann wird man erfolgreich.
Können Sie beziffern wie hoch Ihre Umsatzverluste während der Schließungen waren und sind?
Diekjobst: 80 Prozent im Restaurant und Hotel. Ab und zu verliert sich noch ein Geschäftsreisender ins Hotel und das Take-Away-Geschäft im Restaurant läuft ganz gut. Ansonsten passiert hier nichts.
Wie sah oder sieht es mit Hilfen aus?
Diekjobst: Wir haben nach dem ersten Lockdown die Soforthilfe und anschließend die November- und Dezemberunterstützung erhalten. Zudem ist die Pacht gesenkt worden und auch der Wareneinsatz ist geringer. Wir schauen halt, dass wir die Kosten unter Kontrolle halten. Egal wie lange die ganze Geschichte noch geht, egal wann wir wieder aufmachen dürfen, wir halten durch, wir kämpfen und wenn’s wieder los geht, geben wir Gas.
Zahlen Sie sich selbst noch ein Gehalt – Sie sind ja Geschäftsführer und Küchenchef ?
Diekjobst: Nee, ich muss schauen, dass der Betrieb erst mal gesund bleibt. Wir versuchen unnötige Kosten, dass ist am Ende des Tages auch mein Gehalt, zu vermeiden.
Eine Runde Espresso fürs gesamte Team
Jan Diekjobst, Sternekoch
Wenn wieder Normalbetrieb ist, was ist Ihre Rolle, sind Sie mehr der Organisator, der Dirigent oder kochen Sie auch?
Diekjobst: Ich koche natürlich mit. Tagsüber kümmere ich mich um Fisch, Fleisch und die ganzen Soßen. Bevor dann der Service ab 18.30 Uhr beginnt, haben wir ein Teamritual. Ab 18 Uhr, wenn alles vorbereitet ist, ziehen wir uns alle eine saubere Kochjacke an – dann gibt’s eine Runde Espresso für alle – das habe ich übernommen aus meiner Zeit in Portugal. Dann werden die Kerzen angezündet, die Musik angemacht und wird sind startklar.
Wo ist Ihr Platz?
Diekjobst: Ich stehe am Pass, das ist Übergabestelle von der Küche an den Service, und richte alles an. Zudem annonciere ich, schneide Brot und portioniere die Butter.
Sie haben ja gesagt, sie mögen eher die ruhige Atmosphäre in der Küche, im „Detmolder Hof“ haben sie eine offene Küche, wenn Sie laut werden, kriegen das ja alle mit…
Diekjobst: Das passiert aber nicht. Der große Vorteil für ist, dass nicht nur die Gäste reingucken, sondern wir auch herausschauen können. So können wir zum Beispiel am ersten Tag der neuen Karte sehen, ob wir mit unseren Ideen den Geschmack unserer getroffen haben.
Also immer mit einem Auge am Gast und Feedback einholen?
Diekjobst: Genau, ich schaue schon viel ins Restaurant, um auch den Überblick nicht zu verlieren. Wenn die Gäste mal den Raum verlassen, passe ich mein Tempo an und schicke nicht einfach die Gerichte raus. Das Wohl unserer Gäste habe ich immer im Blick, weil es an oberster Stelle steht.
Vielleicht ist der Zeitpunkt des größten Triumphs eine gute Gelegenheit, um auch mal zurückzublicken – wie kam es zur Liebe zum Kochen?
Diekjobst: Die Basis kam von zu Hause.
Aber Sie kommen nicht aus einem Gastronomenhaushalt…
Diekjobst: Nee, aber mein Patenonkel Hans-Georg Waterkotte vom Restaurant Hirschsprung, der leider viel zu früh verstorben ist, der sitzt da oben auf seiner Wolke und freut sich mit mir. Er war ein grandioser Koch, wahrscheinlich ist das Talent von ihm auf mich übergesprungen. Nach der Schule war ich immer bei Oma, weil Mama und Papa voll berufstätig waren, und sie hat immer frisch gekocht. Auch Mama kocht unglaublich gut – das war die Basis. Mit 15 bin ich dann ins Schulpraktikum zu Gotti Schuster in den Lippischen Hof und habe dort ein Jahr später meine Ausbildung begonnen.
Wann war für Sie klar, dass Sie Koch werden – nach dem Praktikum?
Diekjobst: Nach meinem Praktikum bei Gotti hatte ich ein Probearbeiten hier im Detmolder Hof und anschließend eine Lehrstellen-Zusage von beiden Restaurants. Ich habe mit Mama und Papa gesprochen und wir haben uns für Gotti Schuster entschieden – es war die perfekte Wahl. Nach zehn Jahre bin ich nun Küchenchef im Detmolder Hof – das Schicksal wollte es anscheinend so.
Haben Sie Kochvorbilder, die unsereins auch kennt?
Diekjobst: Wer für mich ein Vorbild ist und dessen Küchenstilistik ich bewundere, ist Jan Hartwig, Drei-Sterne-Koch im Bayerischen Hof in München. Wenn ich 100 Teller sehe, kann ich sofort sagen, dass ist der von Jan Hartwig.
Wie würden Sie Ihren eigenen Stil beschreiben?
Diekjobst: Schon saisonal-regional mit asiatischen und französischen Elementen, aber auch worauf wir Lust haben und gut finden. Wir sind weltoffen, aber immer mit der lippischen Heimatbasis.
Das Fernsehen war ja schon bei Ihnen – so ein Job als Fernsehkoch würde Sie das reizen?
Diekjobst: Die Sendung „Mein Lokal, Dein Lokal“ war eine schöne Erfahrung. Aber es war auch echt viel Arbeit. Wir waren 16 Stunden vor der Kamera. Es wurde viel gedreht, Nahaufnahmen mit und ohne Bewegung, zwei Schritte vor und dann wieder zurück – das war schon anstrengend. Doch als wir dann 49 von 50 Punkten erzielt hatten, ist unser Onlineportal explodiert. Wir hatten unfassbar viele Reservierungen – es war sechs Wochen vor dem Lockdown – und wir waren die ganze Zeit vollkommen ausgebucht.
Würde Sie ein Zusatzjob als TV-Koch reizen?
Diekjobst: Es kommt drauf an, welches Format. Ich habe keine Lust im Mittagsfernsehen so eine Lunchmenü zu kochen. So eine Geschichte wie Tim Mälzer mit ‚Kitchen Impossible‘ ist ein schon ein Format, das ich extrem gut und interessant finde. Ich habe mir jetzt sogar eine Kitchen-Impossible-Box bestellt.
Was kostet so eine Box und was war drin?
Diekjobst: Habe ich gerade bestellt, ist unterwegs – 139 Euro für zwei Personen. Da ist ein Vier-Gänge-Menü drin und anderer leckerer Schnick-Schnack. Ich habe fünf Jahre in Hamburg gelebt – Franzbrötchen, so eine Art Zimtschnecke, gibt’s dort überall und die schmecken einfach super. Und Mälzer hat jetzt ein Franzbrötchen-Aufstrich gemacht, den muss ich einfach probieren.
Kaviar, Leber oder Blutwurst sind nicht so mein Ding
Jan Diekjobst, Sternekoch
Wie wichtig ist es für Sie so einen Aufstrich zu probieren oder woanders zu essen?
Diekjobst: Extrem wichtig, als ich geh‘ gerne zu Kollegen. Es ist schön, einfach mal abzuschalten und zu sehen, was die Kollegen so auf der Karte haben.
Kennt man sich untereinander oder ist es eher inkognito?
Diekjobst: Man kennt sich schon. Ich würde jetzt nicht behaupten, dass Jan Hartwig mich erkennt, wenn ich im Bayerischen Hof bin. Er kocht ja nicht anders, wenn er weiß, dass ich Koch bin. Ich gehe dahin und möchte einfach einen schönen Abend genießen. Ich bin kein anstrengender Gast.
Gibt es Gäste, die anstrengend sind?
Diekjobst: Eigentlich nicht, wenn wir vorher über die Sonderwünsche informiert werden, ist vieles einfacher und es können Missverständnisse vermieden werden.
Was macht denn einen guten Gast aus oder worüber freuen Sie sich?
Diekjobst: Ich freue mich, wenn eine gewisse Wertschätzung für unser Handwerk da ist. Verbal und natürlich auch über angemessenes Trinkgeld, weil davon das gesamte Team profitiert.
Was ist angemessen?
Diekjobst: Das kann man pauschal nicht sagen, jeder wie er möchte.
Und wenn jemand mal meckert?
Diekjobst: Es gab in den vergangen Jahren zwei Mal den Fall, dass ich mich an den Tisch gesetzt und das Gespräch gesuchte habe, weil jemand etwas unzufrieden war. Mir ist es ganz wichtig, dass niemand das Restaurant in einer negativen Stimmung verlässt.
Gibt es irgendetwas was Sie nicht mögen, geschmacklich oder von der Konsistenz her?
Diekjobst: Ich bin tatsächlich kein Fan von Kaviar – heißt aber nicht, dass es ihn bei uns im Menü nicht gibt. Innereien sind auch nicht so mein Ding, Leber oder Blutwurst brauche ich nicht.
Was essen Sie gerne?
Diekjobst: Alles was irgendwie mit Pasta zu tun hat. Spaghetti-Carbonara geht immer.
Haben Sie einen Tipps für die Alltagsköche – gibt es einen generellen Trick, um aus einem normalen Essen etwas besonders zu machen?
Diekjobst: Zwei Tipps. Die Basis eines guten Essens ist die Qualität der Zutaten. Wer kochen möchte, soll einfach mal auf den Wochenmarkt und sich inspirieren lassen, dort gibt es frische regionale Produkte. Zweitens immer zentral anrichten – also gucken, dass die Speisen nicht zu weitläufig auf dem Teller verteilt sind.
Ich bin durch und durch Detmolder und werde auch hier bleiben.
Jan Diekjobst, Sternekoch
Mut zu mehr Gewürzen?
Diekjobst: Der wichtigste Faktor beim Kochen ist Zeit. Wenn wir eine Soße kochen, dauert dies drei Tage. Der Geschmack und die Qualität kommen durchs Reduzieren und nicht weil ich ständig nachwürze.
Wie geht’s jetzt weiter für Sie – gibt’s Expansionspläne?
Diekjobst: Erstmal Stern verteidigen und wir haben schon so ein paar Sachen im gastronomischen Bereich in der Pipeline.
Schon spruchreif?
Diekjobst: Noch nicht, aber hier in der Region. Ich bin durch und durch Detmolder und werde auch hier bleiben.
Vielleicht ein Café?
Diekjobst: Vielleicht. Wenn wir die Möglichkeit bekommen, werden wir uns damit auseinandersetzen.
Haben Sie noch etwas auf dem Herzen?
Diekjobst: Ich glaube, dass wir uns trotz der schwierigen Situation nicht verrückt machen, auf unsere Gesundheit achten und uns darauf freuen sollten, dass irgendwann wieder alles gut wird. Daran glaube ich ganz fest.
Fotos: Bernhard Preuss