Elf Monate Gefängnis ohne Bewährung – so lautete das Urteil des Amtsgerichts Detmold gegen einen 64-Jährigen Detmolder, der im April vergangenen Jahres zu Unrecht Corona-Soforthilfe beantragt und 9.000 Euro bekommen hatte. Als der Familienvater und Automechaniker im Mai nochmals weitere 15.000 Euro für seinen fiktiven Gartenbaubetrieb beantragte, schöpften Beamtinnen der Detmolder Bezirksregierung Verdacht, stoppten die Zahlungen und erstatteten Anzeige. Aus Liebe zu einer Prostituierten, die im Herforder Bordell „Moonlight“ arbeitete, soll er den Betrug begangen, um dort seine Schulden zu begleichen.
In der Regel geht es um Schäden von jeweils 9.000 Euro.
Ralf Vetter, Oberstaatsanwalt
Insgesamt sind bei der Detmolder Bezirksregierung kurz nach dem ersten Lockdown rund 49.000 Anträge auf Soforthilfe NRW und Überbrückungshilfe I eingegangen, die Soforthilfe NRW und die Überbrückungshilfe I beantragt haben, teilt die Bezirksregierung auf Anfrage mit – auch von Subventionsbetrügern. „Wenn im Zuge der Antragsprüfung, bei der Informationen des Finanzamts oder Handelsregisterauszüge berücksichtigt werden, ein Verdacht auf Subventionsbetrug festgestellt wird, erstatten wir Strafanzeige bei der zuständigen Staatsanwaltshaft“, sagt Andreas Moseke, Sprecher der Bezirksregierung. Bei der Detmolder Strafverfolgungsbehörde sind aktuell rund 80 Ermittlungsverfahren wegen Subventionsbetrugs anhängig. „In aller Regel geht es um Schäden von jeweils 9.000 Euro“, sagt Oberstaatsanwalt Ralf Vetter. Insgesamt ein Schaden von mehr als 700.000 Euro. Einzelne Fälle seien bisher angeklagt, verhandelt und abgeurteilt worden. „Häufig werden die Verfahren aber auch eingestellt, insbesondere wenn der Schaden wiedergutgemacht wurde“, erklärt Vetter. Ein bandenmäßiges Vorgehen sei bisher noch nicht festgestellt worden. „Es handelt sich bei den hier anhängigen Verfahren um Einzelpersonen“, so Vetter.
Er hat ein völlig unbescholtenes Leben geführt – bis er sich in eine Prostituierte verliebte.
Martin Rother, Verteidiger des 64-Jährigen
Einer von denen, die in den ersten Wochen das damals noch unbürokratische Antragsverfahren missbrauchten, war der 64-jährige Detmolder. Der Mann, verheiratet, dreifacher Vater und Automechaniker, war sein Leben lang nicht mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. „Er hat ein völlig unbescholtenes Leben geführt. Bis er sich 2018 im Herforder Bordell ‚Moonlight‘ in eine 47-jährige Prostituierte verliebte“, sagt sein Verteidiger Martin Rother. Der Detmolder interpretierte das Verhältnis als echte Liebesbeziehung – mit seinen Gefühlen ging eine sich steigernde Eifersucht einher. Die Situation eskalierte als der Kfz-Mechaniker erfuhr, dass seine Herzdame anderweitig gebucht war. Der eifersüchtige Stammfreier pöbelte, wurde rausgeschmissen und erhielt Hausverbot. Er schmiedete Rachepläne. Am 30. Dezember 2018 feuerte er schließlich in den Morgenstunden mit einem Schrotgewehr auf ein Fenster des Bordells. Doch prallten die Kugeln von der heruntergelassenen Jalousie ab und richteten keinen nennenswerten Schaden an.
Es war kein versuchter Mord, sondern genau das Gegenteil.
Martin Rother, Rechtsanwalt.
Am 25. Januar dieses Jahres verurteilte das Bielefelder Landgericht den 64-Jährigen wegen versuchten heimtückischen Mords, illegalem Waffenbesitz, Sachbeschädigung und Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren – gegen dieses Urteil legte der Detmolder, der derzeit in U-Haft sitzt, Revision ein. „Ich sehe gute Chancen, dass das Urteil in Karlsruhe aufgehoben wird, denn mein Mandat bestreitet die Tat. Es war kein versuchter Mord, sondern genau das Gegenteil“, sagt Rother. Seine Frau hat sich nach 30 Jahren Ehe getrennt, das Verhältnis zu den Kindern zerbrochen, die finanziellen Verhältnisse zerrüttet.