Schule als Tatort: Kampf gegen sexuellen Missbrauch

Es sind Bilder, die immer wieder auftauchen, Gerüche und Geräusche, die sie nicht vergisst – es ist eine Last aus der Kindheit. Sexualisierte Gewalt mit Bezug zur Schule. Elfriede F.* hat sie erlebt. Ein Lehrer erschleicht sich ihr vertrauen. Sie war zehn oder elf. Sie weiß es sich nicht mehr, aber die anderen Erinnerungen sind noch da. „Er hat nach dem Schulunterricht kostenlose Mathenachhilfe angeboten. Meine Eltern waren begeistert. Ich seiner Wohnung musste ich mich neben ihm setzen, dann hat er sein Geschlechtsteil rausgeholt, damit ich ihn befriedige, dann hat er sich auf mich gelegt bis er fertig war“, erinnert sich die heute 66-Jährige. Der Gestank, ein Mischung aus Tabak, Alkohol und Seife, sowie die klassische Musik verfolgten sie bis heute, fügt die dreifache Mutter und Oma aus Detmold hinzu, die mir ihre Geschichte per Mail zugesendet und eine Mitteilung der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs, die 2016 ins Leben gerufen wurde, angehängt hat.
Mit einem Fernsehspot, Aufrufen im Netz und Plakaten sollen Betroffene dazu ermutigt werden, ihre Erlebnisse vertraulich zu schildern. Denn an dem Erlebten trügen Betroffene schwer, oft ein Leben lang.
Unter dem Motto: „Werden Sie los, was Sie nicht loslässt“ hat die Kommission dieses Projekt zu Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs gestartet, heißt es in der Mitteilung. Sie ruft erwachsene Betroffene sowie Zeitzeuginnen und Zeitzeugen auf, von ihren Erfahrungen zu berichten. „Die persönlichen Geschichten von Betroffenen haben eine besondere Kraft und bilden die Grundlage unserer Arbeit. Durch sie können wir erfahren, was von sexueller Gewalt betroffene Kinder und Jugendliche an ihrer Schule erlebt haben. Aber auch Zeitzeugen sind wichtig, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie mit Grenzverletzung und sexueller Gewalt im Kontext Schule umgegangen wurde“, sagt die Vorsitzende Prof. Sabine Andresen.

„Betroffene berichten davon, dass sie Hilfe bei anderen Lehrern suchten, sie aber meist nicht erhalten haben.“

Sabine Andresen, Vorsitzende der Kommission

Viele Betroffene berichteten über ihre Erfahrungen in der Schule. Manche hätten die Bildungseinrichtungen als einen Schutzort erlebt, insbesondere wenn sie in der Familie sexuelle Gewalt erlitten und durch Lehrkräfte Hilfe erfahren hätten. „Allerdings haben der Kommission Betroffene auch sexuelle Gewalterfahrungen in der Schule anvertraut“, erklärt Andresen. In diesen Berichten über Schule als Tatort werde vor allem von Übergriffen durch Erwachsene gesprochen. In einigen Fällen seien auch Mitschülerinnen und Mitschüler übergriffig geworden. „Einige Betroffene berichten auch davon, dass sie Hilfe bei anderen Lehrern suchten, sie aber meist nicht erhalten haben“, sagt Andresen.
Die Schule als Tatort. Der Aufruf wendet sich an Betroffene, aber auch Zeugen, Lehrerinnen und Lehrer. Die eigene Geschichte erzählen, um sich von der Last zu befreien – Elfriede F. will diesen Schritt gehen. „Ich habe es mit meinem Mann und den Kindern abgesprochen. Mir reicht es, wenn ich etwas dazu beitragen kann, dass Betroffene die Angst verlieren. Bei mir hat es drei Jahren gedauert, bis ich meine Furcht abgelegt habe“, sagt die Rentnerin. Die Opfer müssten wissen, dass es Stellen gibt, die zuhören und helfen können, damit die Albträume endeten. „Leider gab es diese Hilfsangebote zu meiner Jugendzeit nicht“, fügt sie hinzu. Wer in seiner Kindheit und Jugend sexueller Gewalt ausgesetzt war, kann sich melden unter www.aufarbeitungskommission.de
*Name geändert

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