Meine Nachbarin spricht mich im Treppenhaus an und fragt, ob ich kurz Zeit hätte. Ich nicke. Sie fragt mich, warum Schüler in Bayern, die Abi-Prüfungsaufgaben gestohlen haben, fast genauso hohe Strafen erhalten hätten, wie Ex-Fußballnationalspieler Christoph Metzelder, der Kinderpornos besessen und weitergeleitet habe? Ich zucke mit den Schultern und sage, dass ich das auch nicht verstehen kann. Sie ringt mir das Versprechen ab, dass ich über das Treffen berichte und ihren großen Unmut über die Justizurteile veröffentliche. Bevor ich meine Zusage einlöse, suche ich nach Informationen zum Schülerurteil am Amtsgericht Bamberg – drei ehemalige Schüler eines Gymnasiums in der Stadt erhielten jeweils mehrmonatige Jugendstrafen, ausgesetzt zur Bewährung, weil sie Abituraufgaben aus der Schule gestohlen hatten.
Zwei der angeklagten Jugendlichen waren im Mai 2020 ins Büro des Direktors eingedrungen, hatten den Tresor aufgebrochen und Prüfungsaufgaben in den Fächern Deutsch, Englisch und Latein mitgenommen. Dafür bekamen die heute19-Jährigen wegen Sachbeschädigung und Diebstahls jeweils eine Jugendstrafe von neun Monaten mit zweijähriger Bewährungszeit. Der dritte Angeklagte, der das Gebäude verlassen hatte, bevor die anderen beiden Schüler die Aufgaben mitnahmen, erhielt wegen Sachbeschädigung eine Jugendstrafe von sechs Monaten samt 24-monatiger Bewährungszeit. Alle drei müssen an einem Projekt für gemeinnützige Tätigkeiten teilnehmen.
„So etwas will nicht in meinen Kopf.“
Mutter, die ähnlich hohe Urteile gegen Metzelder und Schüler kritisiert
Mehr als 30.000 Prüflinge hatten nach Angaben des Bayerischen Kultusministeriums nach der Tat im Mai 2020 Ersatzaufgaben bekommen. Vor Gericht entschuldigten sich die drei jungen Männer bei den geschädigten Schülern, der Schule, dem Direktor und dem Kultusministerium. „Das ist ok, aber einer wie Christoph Metzelder, der Kinderpornos besitzt und weiterleitet, bekommt eine Bewährungsstrafe von zehn Monaten. Das ist doch ein Witz. So etwas will nicht in meinen Kopf und entspricht überhaupt nicht meinem Rechtsempfinden“, betonte die mehrfache Mutter. Vielleicht schreibe mal ein Jurist einen Kommentar auf den Artikel und versuche es ihr zu erklären. Ich habe mein Versprechen mit diesen Zeilen eingelöst – vielleicht meldet sich jetzt ein Jurist?