Nach meinem Gespräch mit Günter Harmel, Lehrgangsleiter bei der Kreisjägerschaft Lippe, kochen die Emotionen unter Jagdbefürwortern und -gegner hoch, doch alles bleibt friedlich – keine Bleidigungen oder gar Drohungen. Dagegen wird eine 37-jährige Jägerin in Bünde von einem unbekannten Angreifer beleidigt und zu Boden geschlagen, meldet die Polizei. Zudem soll er sie als „Mörderin“ beschimpft haben – die Frau erlitt leichte Blessuren. Die Polizei hat Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung aufgenommen. Dieser Vorfall schockiert den 25-jährigen Detmolder Jan Simering*, der zurzeit seinen Jagdschein in einem benachbarten Bundesland macht, weil er dort studiert. Er bittet um ein Gespräch über seine Motive, die Verbundenheit zur Natur und die erregten Reaktionen, die ihm immer wieder entgegen knallen, wenn er von seiner Jagdscheinausbildung berichtet. Daher möchte er auch seinen richtigen Namen nicht nennen, weil er unangenehme Reaktionen befürchtet.
Herr Simering, der Angriff auf die Jägerin in Bünde…
Jan Simering: Die Attacke auf die Jägerin schockiert mich. Man kann ja in Sachen Jagd und Tierschutz durchaus geteilter Meinung sein. Dass dann jemand aber handgreiflich wird und mit so einem Angriff bewusst Menschenleben gefährdet – das geht natürlich gar nicht.
Macht Ihnen das Angst?
Simering: Ja, schon. Ich finde es traurig, dass die verbalen Beleidigungen anscheinend nicht mehr ausreichen und jetzt zu körperlichen Angriffen übergegangen wird. Aber dies wird mich nicht von meinem Plan abbringen – ich hoffe, dass die Polizei den Angreifer schnell fassen kann.
Warum wollen Sie einen Jagdschein machen?
Simering: Ich esse sehr gern Fleisch und auch gern Wild. Ich finde, wenn man Fleisch mag, sollte man theoretisch auch in der Lage sein, ein Tier zu erlegen und das Fleisch entsprechend zu verarbeiten. Zudem komme ich ursprünglich vom Land und wohne seitdem ich 22 bin nur noch in Großstädten. Mit fehlt der Bezug zur Natur und ich vermisse das Landleben von früher. Durch den Jagdschein lerne ich extrem viel über Natur, Naturschutz, Pflanzen und Tiere. Das sind die Hauptgründe, weshalb ich mich dafür entschieden habe.
Haben Sie keine Hemmungen, ein Tier zu töten?
Simering: Ich bin ein sehr tierlieber Mensch und hatte auch immer Haustiere. Ich bin auch nicht scharf darauf, Tiere zu töten und habe eher Hemmungen, abzudrücken und ein Leben auszulöschen. Aber es ist doch so: Entweder ich bin Vegetarier oder ich komme damit klar, dass Tiere getötet werden müssen. Ich denke, es ist ethisch eher vertretbar ein Wildschwein in der freien Natur zu erlegen, als Billigfleisch vom Discounter zu kaufen.
„Auch Vegetarier sind ja nicht unbedingt Tierschützer.“
Jan Simering, künftiger Jäger.
Vegetarier würden da sicher anders argumentieren…
Simering: Auch Vegetarier sind ja nicht unbedingt Tierschützer. Denn in den großen landwirtschaftlichen Monokulturen, den riesigen Getreide- oder Maisfeldern, leben keine Tiere mehr. Die Felder sind vollgesprüht mit Insektenschutzmitteln und anderen Stoffen, dort kann keine Natur im eigentlichen Sinne mehr existieren. Mehr Bio als ein Wildschwein, Reh oder Hirsch direkt aus dem Wald ist nicht möglich.
Die Jagdkritiker sagen, wenn nicht in die Natur eingreifen würde, würde sich alles ganz natürlich regulieren…
Simering: Da bin ich anderer Meinung – die großen Beutegreifer wie Wölfe, Bären oder Luchse gibt es in Deutschland nicht mehr flächenmäßig. Jäger regulieren den Wildbestand. Füchse zum Beispiel haben außer dem Jäger nichts zu befürchten. Füchse sorgen aber dafür, dass es viel weniger Vögel, Hasen und andere Arten gibt. Als Jäger hat man auch die Aufgabe, Artenschutz zu betreiben und dieses Niederwild zu schützen.
Sehen Sie sich selbst als Naturschützer?
Simering: Auf jeden Fall. Wir haben eine sehr schöne Natur in Lippe und ich will nach meiner Rückkehr meinen Teil dazu beitragen, dass sie erhalten bleibt. Ich würde zum Beispiel niemals in andere Länder reisen, um dort für Geld eine Giraffe oder einen Löwen zu erlegen. Das finde ich völlig unangemessen, weil es nur der Unterhaltung und dem Zeitvertreib dient.
Wie haben Ihre Familie und Freunde reagiert, als sie ihnen von ihrem Vorhaben erzählt haben?
Simering: Meine Freunde haben es nicht großartig kommentiert, aber meine Freundin war nicht sonderlich begeistert von meinem Plan. Auch meine Eltern waren eher kritisch und gefragt, warum ich denn unbedingt Tiere töten wolle…
Klingt nicht nach viel Zuspruch und was haben Sie geantwortet?
Simering: Vielen Leuten ist einfach nicht klar, dass Essen nicht an Bäumen wächst, sondern vom Tier stammt. Und das Tier muss dafür getötet werden, um es essen zu können. Wenn meine jetzigen Nachbarn wissen würden, dass ich jage, dann hätte ich schon Angst, dass mein Auto zerkratzt oder mein Außenspiegel weggetreten wird. Und was im schlimmsten Fall passieren kann, musste leider die Jägerin in Bünde erfahren.
Wie verlief bisher die Vorbereitung auf die Prüfungen?
Simering: Ich habe den Lernaufwand unterschätzt, es ist wirklich anstrengend und sobald du etwas mit der Waffe falsch machst, bist du sofort raus und kannst nach Hause fahren. Die Prüfer legen extrem viel Wert auf die richtige Waffenhandhabung, sodass man keine sicherheitsrelevanten Fehler machen kann.
Nehmen wir an, Sie bestehen die Prüfungen. Was dann?
Simering: Zuerst einmal möchte ich Erfahrungen im Wald mit wirklich routinierten Jägerinnen und Jägern machen und sie zur Jagd begleiten. Sollte ich meinen ersten Rehbock oder mein erstes Schwein schießen, dann will ich Unterstützung dabei haben.
*Name geändert